*+* Lea-Lina Oppermann: „Was wir dachten, was wir taten“ (Hörspiel) *+*

Während der Matheklausur ertönt die Durchsage, es sei ein schwerwiegendes Sicherheitsproblem aufgetaucht und man möge Ruhe bewahren. Nach einigen Hinweisen ist die Gruppe sich selbst überlassen.
Der Aufsicht führende Lehrer Herr Filler ist der Meinung, da man sich bereits in einem Fachraum befände, könne man doch einfach mit der Klausur weitermachen. Er lässt die Tür zuschließen und fühlt sich seiner Aufgaben entledigt. Mehr kann er doch jetzt nicht tun, oder?
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Die Schüler sehen das anders, sie erwarten Hilfe von ihm, können unter diesen Bedingungen auch nicht die Klausur weiterschreiben.
Bevor dieses Thema geklärt werden kann, klopft es an der Tür und eine wispernde Stimme bittet um Einlass. Helfen oder nicht? Die Anweisungen befolgen oder nicht? Das Leben des Mädchens riskieren oder im Zweifelsfall die Leben der im Raum Befindlichen aufs Spiel setzen? Nach heftigen Diskussionen und Gedankenspielen rund um die Moral einigt man sich mehr oder weniger darauf, die Bittstellerin hineinzulassen. Sie betritt den Raum – mit einer Pistole an der Schläfe.
Aufregung und Verzweiflung sind groß, sind sich doch zunächst alle sicher, in den Fängen eines Amokläufers gelandet zu sein. Als sich der Eindringling sich jedoch ganz ruhig verhält – kein Laut verlässt seine Kehle – wird klar, dass eine andere Motivation hinter der Aktion stecken muss, was nicht unbedingt zur Beruhigung beiträgt.

Stumm erteilt die Schreckensfigur ihre Anweisungen an Herrn Filler……
Und die haben es wirklich in sich. Jeder muss an seine persönlichen Grenzen gehen, teilweise auch darüber hinaus. Sich drücken ist eine schlechte Idee, denn die Alternative kann man sich schnell ausrechnen, wenn man den Eindringling mit der Pistole betrachtet.
Wie hoch ist die persönliche Toleranzgrenze? Wann ist der Punkt erreicht, sich selbst in Gefahr zu bringen, um jemand anders zu schützen? War dieser Zwiespalt schon eingangs nach dem Klopfen an die Klassentür angerissen worden, bricht er sich im Laufe der Geschichte eindrucksvoll bahn.
Als die Aufgaben abgehandelt sind und die Gruppe begreift, wer sie in Schach hält, überstülpt eine Ohnmacht des Grauens die Gemeinschaft und die bittere Erkenntnis, keinen Einfluss mehr auf das weitere Geschehen zu haben.

Eine solche Geschichte, eine solche Handlung kann kein abgeschlossenes Ende haben und ebenso schließt das Buch auch ab. Jeder einzelne der Gruppe wird seinem Gedankenkarussell ausgesetzt, denn das, was passiert ist – mit all seinen Hintergründen und Folgen hinterlässt Spuren und ließ es auch mir eiskalt den Rücken herunterlaufen.
Durch die Themen, die das Buch direkt und indirekt aufgreift, empfinde ich es als Schullektüre gut geeignet. Der Stil, die Zeichnung der Charaktere und auch der Inhalt dürfte die Zielgruppe ansprechen, die Konfrontation mit einigen Aspekten des Umgangs miteinander bietet viel Gesprächs- und Diskussionsstoff und regt sicher bei einigen Jugendlichen zum Nachdenken an.

Lea-Lina Oppermann hat ein meisterhaftes Debut hingelegt.
Die Geschichte ist gut durchdacht und die einzelnen Bestandteile bauen großartig aufeinander auf. Auch die Erzählweise ist grandios, denn in Form der drei Ich-Erzähler Herr Filler, sowie die beiden Schüler Fiona und Marc, taucht sie Autorin tief in die Gedankengänge der drei ein, wodurch man diese Protagonisten durch ihre Schilderungen, Überlegungen und Emotionen gut kennenlernt. Aber da die Erzähler ihre Gedanken nicht nur auf sich selbst beschränken sondern auch immer wieder in Ausschweifungen über die anderen Schüler enden, kann man sich in diese ebenfalls gut hineinfühlen. Die Art und Weise, wie diese Gedanken über die anderen formuliert werden, lassen an einigen Stellen tief blicken. Die Mischung der Beteiligten reicht vom Schaf bis zum Wolf im Schafspelz. Warum diese deutlichen Charakterisierungen derart ausgefeilt und detailliert notwendig sind, wird im Laufe der Geschehnisse im Klassenraum deutlich.

Eine großartige Geschichte wird durch eine ebenso großartige sprecherische Leistung zu einem grandiosen Hörbuch. Das ist hier zweifellos geschehen. Der tiefgründige und vielschichtige Inhalt bekommt durch die einfühlsame Interpretation der Sprecher eine zusätzliche Schärfe und Intensität verliehen. Die drei Schauspieler des Hamburger Thalia-Theaters Birte Schnöink, Julian Greis und Sebastian Rudolph vertonen die drei Erzähler sehr einfühlsam und begeisternd und hauchen dem „packend komponierten psychologischen Kammerspiel“ überzeugend Leben ein, wobei sie eine sehr reale und beklemmende Stimmung heraufbeschwören.

„Was wir dachten, was wir taten“ wurde sehr verdient bereits vor der Veröffentlichung mit dem Hans-im-Glück-Preis für Jungendliteratur ausgezeichnet und zählt zu meinen persönlichen Highlights des Jahres.

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Die Buchbloggerin

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Inhalt
Matheklausur! Plötzlich dringt eine maskierte Person ins Klassenzimmer ein und diktiert mit geladener Pistole Aufgaben, die erbarmungslos die Geheimnisse aller an die Oberfläche zerren. Arroganz, Diebstähle, blinder Opportunismus, Lügen – hinter sorgsam gepflegten Fassaden tun sich persönliche Abgründe auf. Fiona ringt fassungslos mit ihrer Handlungsunfähigkeit, Mark verspürt Genugtuung, und Herr Filler schwankt zwischen Aggression und Passivität. Als sie den Angreifer enttarnen, sind die Grenzen der Normalität so weit überschritten, dass es für niemanden mehr ein Zurück gibt. Ein packend komponiertes psychologisches Kammerspiel!

Autorin
Lea-Lina Oppermann wurde 1998 in Berlin geboren. Sie ist Schauspielerin, Filmemacherin und Autorin und wurde bereits in allen drei Gebieten mehrfach ausgezeichnet. Für ihr Debut Was wir dachten, was wir taten erhielt sie vor der Veröffentlichung den Hans-im-Glück-Jugendliteraturpreis.

Sprecher
Birte Schnöink, geb. 1984, spielte schon während ihrer Schulzeit Theater. Sie studierte an der Ernst Busch Schauspielschule in Berlin. Seit 2009 ist sie am Thalia Theater in Hamburg. Neben dem Theater ist sie auch in Filmproduktionen zu sehen, wie z.B. im Liebesdrama „Verlorene Zeit“ oder in „Amour Fou“.
Sebastian Rudolph ist ein deutscher Theater- und Filmschauspieler. Seit der Spielzeit 2009/2010 ist er festes Ensemblemitglied des Thalia Theater Hamburg. Für seine überzeugende Darstellung in Faust I+II ist Rudolph von der jährlichen Kritikerumfrage der Zeitschrift Theater heute zum Schauspieler des Jahres 2012 gewählt worden.
Julian Greis wurde 1983 in Hattingen geboren, studierte an der Schauspielschule in Stuttgart und spielte als Gast u.a. am Düsseldorfer Schauspielhaus. Nach einem Engagement in Graz ist er festes Ensemblemitglied im Hamburger Thalia Theater. 2011 erhielt er den Boy-Gobert-Preis als bester Nachwuchs-Schauspieler. Er ist auch für Film und Fernsehen und als Hörbuchsprecher tätig. Für die HÖRCOMPANY hat er einige mehrfach ausgezeichnete Hörbücher gelesen, wie Eleanor & Park und Boy 7.
Quelle: Hörcompany

 

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Über irveliest

Wie ihr euch sicher schon denken könnt lese ich sehr gerne, am liebsten Krimis und Thriller, aber auch niveauvolle Romane, Kinder- und Jugendbücher. Meine Lieblingsbuchhandlungen sind unsere kleine Buchhandlung am Ort und zum ordentlichen Stöbern Thalia in der Nachbarstadt. Online stöbere ich am liebsten bei lovelybooks und auch bei Amazon nach Büchern...
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2 Antworten zu *+* Lea-Lina Oppermann: „Was wir dachten, was wir taten“ (Hörspiel) *+*

  1. monerl schreibt:

    Auf dieses Buch bin ich schon sooo gespannt! Freue mich total darauf! Die liebe Ela hat es mir geschenkt und ich werde es in meinen Urlaub mitnehmen. Vom Umfang her kann man es super im Flugzeug (4,5Std Flug) lesen! :-)
    GlG vom monerl

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