Liebe Patricia,
wir kennen uns nun schon seit einigen Jahren, haben uns aber leider noch nicht persönlich treffen können. Daher ist es sehr schön, dass du dich einmal mehr für ein Interview zur Verfügung stellst. Zum einen kann ich so die geballte Ladung meiner aktuellen Fragen an dich loswerden, zum anderen erfreuen wir damit ganz bestimmt die Fangemeinde deiner Romane und Kurzgeschichten. Deine Leserschaft steigt stetig, ich empfehle deine Bücher sehr gerne weiter – und verschenke sie auch oft. Noch nie habe ich eine negative Rückmeldung bekommen.
Was meinst du, woran liegt die Begeisterung für deine – wie du sie selbst nennst – Wellness-Literatur?
Ich bekomme auch sehr nette Rückmeldungen. Das tut sehr gut, weil man sich als Autorin ja oft fragt, ob das Schreiben unterhaltsamer Romane Sinn macht in einer Welt, in der es im Grunde Wichtigeres gibt. Doch dann lese ich in diesen Briefen, dass meine Geschichten den Menschen Erholung bieten, sie im Krankenhaus ablenken oder im Trauerfall ein wenig Trost schenken. Oder einfach nur Urlaubsgefühle. Dann denke ich: ja, auch das ist wichtig.
In meinen Büchern gibt es keine Intrigen, keine Verbrechen, Korruption oder Katastrophen. Trotzdem ist es keine Schönfärberei, sondern es wird auch über ganz realistische Probleme wie Lebenskrisen, Verluste, das Altern, Depression oder Krankheiten gesprochen. Aber nie ohne Zuversicht! Es werden so viele Krimis und bedrückende Bücher geschrieben, dass ich denke, manchen Lesern ist einfach mal nach etwas Positivem zumute. Und wenn man ein Geschenk sucht, möchte man ja auch nicht unbedingt Düsteres, Entmutigendes verschenken. Da gibt es ein Defizit unter den vielen Veröffentlichungen, das ich sehr bedauerlich finde. Literatur sollte Mut machen und einen an die eigenen Fähigkeiten erinnern, anstatt zu jammern und den Untergang auszurufen oder die angebliche Schlechtigkeit der Menschen auszumalen.
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Mit deinen beiden Trilogien, die an Nord- und Ostsee spielen, hast du uns Leser mitreißend ans Meer entführt. Nun tust du es erneut, dieses Mal jedoch mit der Inselgarten-Reihe. Wer ist auf die Idee der Inselgärten gekommen und was steckt dahinter?
Das geschah in Zusammenarbeit mit dem Fischer-Verlag. Mir liegt die Natur und unser Umgang damit sehr am Herzen, aber darüber zu predigen halte ich für sinnlos. Ich möchte mit meinen Geschichten bestenfalls dazu beitragen, dass einer Handvoll mehr Menschen die Wunder um uns herum bewusster werden, und dass sie sie ebenso lieben oder wenigstens respektieren lernen. Der Rest ergibt sich dann von selbst.
Wichtig ist mir aber auch klarzustellen, dass die Geschichten eben nicht nur am Meer spielen. Zu einem Teil spielen sie auch an völlig unbekannten Orten. Ich möchte vermitteln, wie geheimnisvoll und zauberhaft es auch an einem See mitten in Mecklenburg-Vorpommern ist, auf einer Insel im Spreewald oder einem winzigen Dorf im Oderbruch. Außerdem geht es diesmal mehr um Gärten als um das Meer. Ich habe in den letzten Jahren erleben dürfen, wie heilsam und fördernd Gärtnern für die körperliche und seelische Gesundheit ist. Gerade jetzt in Corona-Zeiten haben das, glaube ich, viele selbst erfahren. Und mit Gärtnern meine ich auch einen Balkon oder ein paar Töpfe auf dem Fensterbrett. Auch bei Glück kommt es nicht auf die Größe an.
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Auf welchen Inseln wirst du deine literarischen Gärten anlegen? Auf wie viele Geschichten dürfen wir uns freuen?
Ich schreibe gerade Band drei fertig. Es geht erst um Rügen, dann Hiddensee und nun um Fehmarn. Mein Vorschlag für einen eventuellen Band vier, der mit Usedom zusammenhinge, liegt dem Verlag auch schon vor, aber die Corona-Krise macht gerade alles schwierig, wie wir wissen. Noch ist ungewiss und muss sich erst zeigen, ob es weitergeht. Die Entscheidung liegt beim Verlag, vor allem aber bei den Leserinnen. Jeder, der ein Buch kauft, verschenkt, rezensiert oder empfiehlt kann natürlich etwas Einfluss darauf nehmen, ob es weitere Bücher gibt.
Das Meer ist immer wieder Thema und Schauplatz in deinen Romanen. Was verbindest du selbst damit?
Glück, Weite, saubere Luft, die Musik der Wellen, Kühle an heißen Tagen, Sonnenglitzern auf dem Wasser, Ebbe und Flut, Wolkenstimmungen, Sturm, der Duft von Salz und Tang und die Rufe von Möwen, Eiderenten und Austernfischern. Windflüchter-Kiefern. Barfuß laufen auf Sand, Holz und im Schlick. Frische Krabben. Neue Ideen, Kraft, Mut. Abstand und Erholung. Ich denke, genau das, was wir alle damit verbinden.
Hast du eine Lieblingsinsel?
Ja, für immer Amrum. Aber seit meine Recherchen mich nach Hiddensee führten, gibt es einen klaren zweiten Platz.
Gab es eine besondere Begebenheit, die dir mal am Meer widerfahren ist?
Das Meer selbst ist die besondere Begebenheit. Immer wieder. Aber als ich vor zwei Jahren zum ersten Mal einen lebendigen Basstölpel sah, dieser wunderschöne, würdevolle große Vogel mit den blauen Augen auch noch ganz vertrauensvoll mit mir einen Priel teilte und wir einen langen Blick wechselten, das war schon ein sehr eindrucksvoller, besonderer Moment. Oder in einer Frühlingsdämmerung auf Amrum im Zelt liegen und die Rufe der Eiderenten auf dem Wriakhörnsee hören – auch das ist unvergessen.
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Kannst du dir vorstellen, etwas zu schreiben, dass an einem ganz anderen Schauplatz, fernab irgendeines Meeres, spielt?
Auf jeden Fall. Deshalb spielen die Bücher ja wenigstens zum Teil auch schon woanders. Es heißt allerdings, dass Leser lieber Bücher in die Hand nehmen, deren Schauplätze ihnen ein Begriff ist.
Deine Romane machen einfach Spaß, sie geben Kraft, spenden innere Ruhe und sie erden ganz wunderbar. Denn du schreibst nicht mit der rosaroten Brille, die Unerwünschtes und unschöne Dinge einfach unter den Tisch fallen lässt. Du unterschlägst nichts, gehst aber ganz anders mit den Schattenseiten des Lebens um als viele andere Menschen es tun, und schenkst durch diese andere Sicht- und Herangehensweise so manches Mal Mut und Kraft. Warst du schon immer so positiv eingestellt, oder gab es eine einschneidende Begebenheit in deinem Leben, die dich in diese Richtung geschubst hat?
Ich glaube, das ist angeboren. Und ich hatte und habe in meinen Eltern, meinem Mann und Freunden entsprechende Vorbilder. Vor allem aber sehe ich überhaupt keinen Grund für eine negative Einstellung. Ich habe meinen Mann verloren – aber wir waren 23 Jahre lang glücklich. Er war auf einen Rollstuhl und eine Beatmungsmaschine angewiesen – aber er war voller Lebensmut und wir haben tolle Dinge erlebt und gemacht, jeden Tag. In der Welt gibt es Krieg und Krankheiten – aber auch sehr viel Frieden, Solidarität, Wissen und Errungenschaften. Sie wird immer besser, das steht nur nie in den Nachrichten.
Es geht uns doch so gut. Und alles um uns herum ist voller Wunder. Nicht nur, aber eben auch. Es sind immer genug davon da, um Schlimmes auszugleichen und mehr.
Gerade jetzt in Corona-Zeiten scheinen die Prioritäten zurechtgerückt zu werden. Es fühlt sich hin und wieder so an, als ob sich ein Trend zu Bescheidenheit und Demut entwickelt. Wir erkennen, wie schnell unsere für selbstverständlich erachteten Lebensbedingungen auf den Kopf gestellt werden können und wie kostbar sie sind – und dass wir sie schätzen, dafür dankbar sein und sorgsam damit umgehen sollten.
Schneller, höher, weiter war gestern, gemeinsam und solidarisch ist heute. Meinst du, diese Entwicklung kann bestehen bleiben, wenn wieder unsere alten Rahmenbedingungen vorherrschen?
Da bin ich ein bisschen skeptisch. Aber dass es den einen oder anderen zum Nachdenken gebracht hat, denke ich schon. Dass vielleicht mehr Urlaub im schönen Deutschland gemacht wird und man Ruhe mehr zu schätzen lernt. Gerade auch das Gärtnern. Und ich glaube auch, dass manche Kinder später einmal sagen werden: Der Sommer mit Corona, wo wir einfach mal zu Hause spielen konnten, Zeit mit der Familie und nicht so viele Termine hatten, das war einer unserer Schönsten. Manche Kinder, wohlgemerkt. Ich weiß, wie schwer es für viele ist, und für die Eltern natürlich um so mehr.
Zentrale Themen in deinen Romanen sind zunehmend Natur- und Umweltschutz. Ich finde das sehr gut, denn schon seit lange vor der Bewegung #FridaysforFuture gehen wir sehr bedenklich mit unserer wunderbaren Erde um. Ich bin schon lange überzeugte Nicht-Fliegerin, was tust du persönlich, um die Natur zu schützen? Was bereitet dir diesbezüglich derzeit am meisten Sorgen?
Ich bin seit über 25 Jahren nicht geflogen. Ich esse so gut wie kein Fleisch und ich fahre nicht Auto. Mein Garten ist sehr naturnahe. Ich bin Mitglied beim Naturschutzbund. Und vor allem versuche ich, so viel wie möglich über alle Lebewesen und Zusammenhänge zu lernen. Ich denke, Wissen und Verstehen ist der Schlüssel, unseren Planeten mit mehr Respekt und Umsicht zu behandeln.
Aber ich mache mir große Sorgen, weil ich eben das tatsächlich fast nur bei der jüngeren Generation sehe. Das allerdings macht Hoffnung. Ich schäme mich jedoch wenn ich sehe, dass diese jüngere Generation dafür verhöhnt oder beschimpft wird. Wir sind es doch auch, die es mit der Umwelt verbockt haben. Wer von uns hat denn nicht einst bedenkenlos zu viele Plastiktüten benutzt oder Wegwerfgeschirr? Da steht uns das nicht zu, abgesehen davon, dass es einfach nur dumm und unhöflich ist.
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Auf deinem Blog Meerschreibfrau habe ich den Slogan „Gute Geschichten sind eine Welle, die trägt“ gelesen. Ich stimme dir ganz und gar zu. – Wer oder was hat dich zu dieser Aussage inspiriert?
Ich empfinde es einfach so. Wenn man ein Buch gelesen hat und weglegt, sollte man sich davon getragen fühlen und auch ein Stück vorwärts gespült. Wenn es den Leser traurig gemacht, ihn Kraft gekostet oder auch nur gelangweilt hat, dann habe ich als Autorin versagt. Jedenfalls diesem Leser gegenüber. Natürlich erwarte ich nicht, dass meine Art von Geschichten allen Lesern gefällt. Diesen Anspruch habe ich nicht an mich. Es gibt nun mal Leser, die es aufregender mögen, die lieber ausschließlich Krimis oder Dystopien lesen und sich danach gut fühlen. Das ist natürlich völlig in Ordnung. Umgekehrt geht es mir ja auch so. Wenn ich einen Krimi oder eine Dystopie lese, kann sie noch so gut geschrieben sein – ich fühle mich hinterher bedrückt und seltsam schmutzig. Eben nicht getragen. Das ist einfach Geschmackssache.
Apropos Inspiration: Woher nimmst du all deine zauberschönen, wundervollen Ideen, mit denen du deine Romane füllst?
Vielen Dank für das schöne Kompliment. Aber man braucht keine Ideen, um einen Roman zu schreiben. Man braucht nur einen Namen. Es ist schon ein Unterschied, ob deine Figur Hans Meier heißt oder Sybille Augustine Achternfeldstein. Je nachdem werden sie sich unterschiedlich verhalten. Wenn du dann so eine Figur irgendwo hinsetzt, geschehen die Dinge von selbst. Ob in die Wüste oder an den Strand, es wird nie nichts passieren. Jemand kommt vorbei und fragt sie, was sie da tut. Wie sie dahingekommen ist und wie es weitergehen soll. Der Passant bietet Hilfe an oder geht achtlos vorbei. So oder so muss die Figur reagieren. Sie lässt sich helfen oder eben nicht. Sie wird wütend oder sie verzweifelt.
Oder es kommt keiner vorbei. Auch dann muss sie sich verhalten. Entweder sie ist hilflos und verhungert in der Wüste. Selbst dann wird sie irgendwann jemand finden und die Geschichte geht weiter. Oder aber der Charakter ist mutig, baut ein Floß und macht sich vom Strand auf in ein neues Leben. Die Geschichte passiert von selbst, da kann man gar nichts dagegen tun. Eins führt immer zum anderen. Denk an die Unendliche Geschichte. Da braucht es auch nur ein Samenkorn. Einen Namen. Das Schreiben ist mehr wie ein Tasten durch ein Labyrinth der Möglichkeiten als ein Entwickeln von Ideen. Du musst immer wieder entscheiden, wo es langgehen soll. Wie an einer Wegkreuzung. Die denkt man sich auch nicht aus. Die ist einfach da.
Wie entwickelst du deine Protagonisten? Lehnst du sie an menschlichen Vorbildern an oder sind sie völlig deiner Phantasie entsprungen? Gibt es eine Romanfigur, die dir am meisten am Herzen liegt?
Es gibt ein paar Menschen, deren Charaktereigenschaften sich gelegentlich an die eine oder andere Figur heften. Aber hauptsächlich sind diese Alltagshelden ihrer eigenen Geschichte entsprungen, s.o. Meine Lieblingsfiguren sind Myra Webelhuth, Skem, Flömer, Kalle und Lucie. Meistens die, die völlig ungeplant von selbst ganz fertig in mein Manuskript spazieren. Ebenso Ilari aus dem neuen Buch und aus diesem auch Philea Müller, von der wir sicher noch einmal in einer späteren Geschichte hören werden. Ich muss ja ab und an nachsehen, wie es diesen Lieblingsfiguren weiterhin so geht.
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Wo schreibst du am liebsten? Brauchst du dazu das Meer in deiner Nähe, oder reicht es, es in deinem Herzen zu tragen? Hast du bestimmte Rituale beim Schreiben oder Recherchieren?
Am Meer kann ich gar nicht schreiben. Da muss ich ja immer auf das Meer gucken 😊 Ich notiere da höchstens Eindrücke, und geographische und historische Fakten. Schreiben kann ich auch im Garten schlecht. Da gibt es zu viel zu sehen. Am besten geht es am Schreibtisch. Ich diktiere dann meist ins Mikrofon, und der Computer schreibt. Oft mache ich dabei die Augen zu und versetze mich an den Schauplatz. Manchmal speichert dann der PC den Text nicht und ich muss von vorn anfangen. Dann wird es eine etwas andere Geschichte.
Wenn du drei Wünsche frei hättest, welche wären es?
Dass wir lernen, das Leben und das Zusammensein mit lieben Menschen als das wertvolle und zerbrechliche Geschenk zu betrachten, das es ist, auch dann, wenn es mal schwierig ist.
Dass wir lernen, wie groß und unglaublich die kleinen Wunder sind – die Schmetterlinge auf dem Balkon zum Beispiel.
Und dass wir lernen, mit dem Planeten und allem Lebendigem und allen Landschaften darauf respektvoll und fürsorglich umzugehen.
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Liebe Patricia,
vielen Dank für die Zeit, die du dir für die Beantwortung meiner Fragen genommen hast, ebenso für die stimmungsvollen Bilder, die ich für den Beitrag verwenden darf.
Und auch liebsten Dank…..denn du hast mir eine signierte Ausgabe deines ersten Teils der Inselgarten-Reihe „Die Zeit der Glühwürmchen“ zur Verfügung gestellt, das ich für Spendeneule LIA, sprich: zugunsten des Dattelner Kinderpalliativzentrums, versteigern darf! (->Link) Ich freue mich sehr darüber – und unsere Leser sicher auch….
Mehr Informationen dazu wird es morgen in einem weiteren Blogbeitrag geben.
Bleib so ein lieber, warmherziger und empathischer Mensch, wie du es bist!
Ich freue mich auf deine nächsten Romane. :-)
Vielen Dank für deine Fragen, liebe Heike, und dass du meine Bücher weiterempfiehlst. Autoren sind so sehr darauf angewiesen – auf die Rezensionen und Empfehlungen der Leserinnen.
Dein Engagement für das Kinderpalliativzentrum finde ich wundervoll. Es ist mir eine Ehre, wenn meine Bücher und mein Schreiben ein Plätzchen auf deinem schönen Blog finden. Herzliche Grüße auch an alle deine Leserinnen!
wunderschönes interview. ich liebe diese bücher einerseits der magie der sprache wegen, andererseits bringen sie genau das in die welt, was so schrecklich fehlt. ja bitte patricia schreib auch band 4
eva
Ohja, und bitte auch Teil 5 und noch mehr. :-)
Pingback: Die Zeit der Glühwürmchen – Patricia Koelle – Streifis Bücherkiste
Liebe Heike,
ein tolles Interview! Nun habe ich einen schönen Einblick in die Bücher von Patricia Koelle bekommen – das klingt wirklich nach Wellness-Literatur und perfekt für einen Urlaub. :)
Liebe Grüße
Nicole
Liebe Nicole,
ja, diese Büchern sind echter Balsam für die Seele. :-)
LLG Heike