*+* Ursula Poznanski: „AQUILA“ (Hörbuch) *+*

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Nika versteht die Welt nicht mehr. Was ist in den letzten beiden Tagen passiert? Sie kann sich an rein gar nichts erinnern. Jedoch wäre es gut, wenn sie es könnte, denn es scheint nichts mehr so zu sein wie zuvor. Jenny, mit der sie sich ihre Studentenbude teilt und die ihr möglicherweise helfen könnte, ihre Lücken zu füllen, ist spurlos verschwunden. Alles, was Nika bleibt, um Licht in die letzten Stunden ihres Lebens zu bringen, ist ein Zettel voller kryptischer Notizen. Die Gedankenstützen, die sie sich selbst während der fragwürdigen Zeit gemacht hat, hat sie scheinbar extra so verschlüsselt, damit niemand anders etwas damit anfangen an – und nun ist sie selbst so amnesisch, dass sie mit dieser Theorie ein Eigentor geschossen hat und selbst nichts mit ihren Hinweisen anfangen kann. Was also tun?

Nika ist eine junge Studentin, die erste Auslandserfahrungen sammelt. Sie ist noch nicht lange in Siena, versteht und spricht die italienische Sprache mehr schlecht als recht. Viele Freundschaften hat sie auch noch nicht geschlossen und so gerät die Entlarvungsmaschinerie nur sehr langsam in Gang. Das Erzähltempo ist entsprechend gemächlich und macht es leicht, der Geschichte zu folgen, was auch durch die überschaubare Menge an Protagonisten sowie die einsträngige Erzählweise bewirkt wird.

Die Dinge nehmen ihren Lauf, Nika bekommt Unterstützung durch einige ihrer Bekanntschaften. Auch die Polizei schaltet sich recht bald ein, denn während Nikas Filmriss ist ein Verbrechen geschehen, das es aufzuklären gilt. Nach und nach gelingt es der jungen Frau, ihre kryptische Liste zu entschlüsseln und immer mehr Licht in das Dunkel zu bringen, wobei sie sich allerdings häufig selbst in Gefahr bringt. Habe ich den Jugendthriller zunächst als etwas sperrig und langatmig empfunden, steigt die Spannungskurve recht schnell an und AQUILA konnte mich wirklich fesseln. Dann macht die ohnehin schon ziemlich konstruierte Geschichte jedoch einen weiteren großen Sprung in diese Richtung. Die Charaktere handeln zunehmend unverständlich – ich konnte vor allem Nikas Verhalten immer weniger nachvollziehen –, klischeehaft und vor allem in einem Fall ziemlich überzogen. Die Protagonisten sind zwar nicht unbedingt realistisch dargestellt, sind aber dennoch stringent und jeweils in sich selbst nachvollziehbar gezeichnet. Das Maß an Realismus bzw. Überkonstruktion sind halt Geschmackssache und somit kein wirklicher Kritikpunkt.

Was ich aber sehr schade fand, war, dass die Auflösung des Ganzen immer durchschaubarer und vorhersehbarer wurde, was zumindest in meinem Fall sehr zu Lasten der empfundenen Spannung ging. Da hätte ich mir von Ursula Poznanski eine gewitztere, raffiniertere Schlussphase erhofft, aber auch das hängt sicher vom persönlichen Empfinden ab.

Die Konstruktion der Charaktere und auch der Handlung trafen ebenso wie die Gestaltung der Auflösung nicht immer meinen Geschmack. Sehr gut gefallen haben mir hingegen das gemächliche Erzähltempo, das zu eigenen Gedankengängen einlädt, und auch dieses schöne italienische Flair, das sich durch die gesamte Geschichte zieht. Siena mit seinen Stadtteilen und Sehenswürdigkeiten wird sehr bildhaft in den Thriller eingebunden und auch die „typisch italienischen Eigenschaften“ werden bei den betroffenen Charakteren intensiv umgesetzt.

Ein ganz großes Lob gebührt der Sprecherin Laura Maire, die großartig die einzelnen Charaktere und Empfindungen umsetzt. Sie wechselt einem Chamäleon gleich intuitiv Tonlage, Geschwindigkeit und Stimmung und haucht dem Thriller dadurch eine ordentliche Portion Lebendigkeit und an den entsprechenden Stellen Spannung ein. Ich kann mich der Meinung der Jury des deutschen Hörbuchpreises nur anschließen: „Mit faszinierender, wunderbarer Sicherheit wechselt Laura Maire die Tonlagen und Stimmungen – oft zwischen zwei Atemzügen, ganz unangestrengt und rätselhaft beiläufig.“

Inhalt
Als Nika an einem Sonntagmorgen ziemlich verkatert in den Badezimmerspiegel schaut, steht dort diese Nachricht. Wer hat sie an den Spiegel geschmiert? Und was hat sie zu bedeuten? Wo sind Nikas Hausschlüssel und ihr Handy? Wo ist Jenny, ihre Mitbewohnerin? Und warum ist ihr heute überhaupt so schlecht, sie hat doch gestern gar nicht viel getrunken? Erst durch die Morgennachrichten im Fernsehen erfährt Nika, dass heute gar nicht Sonntag ist, sondern Dienstag. Ihr fehlt die Erinnerung an zwei ganze Tage, in denen irgendetwas Schreckliches passiert sein muss. Aber was?

Autorin
Ursula Poznanski, 1968 in Wien geboren, arbeitet als Journalistin für eine Reihe medizinischer Fachzeitschriften. Seit 2003 veröffentlicht sie auch Kinderbücher. Für Die allerbeste Prinzessin erhielt sie den Kinder- und Jugendbuchpreis der Stadt Wien 2005 und stand auf der Auswahlliste für den Österreichischen Kinder- und Jugendbuchpreis. Sie lebt mit ihrer Familie im Süden von Wien. Ihr Cyberthriller Erebos wurde von der Jugendjury mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis 2011 ausgezeichnet. Ende 2011 erschien ihr zweiter Jugendroman, der Thriller Saeculum.

Sprecherin
Laura Maire, geboren 1979 in München, absolvierte ihre Ausbildung an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt. Bekannt wurde sie durch eine Hauptrolle in der ARD-Vorabendserie „Verdammt verliebt“. Sie synchronisierte u. a. Brie Larson in „Raum“ (2016 mit einem Oscar ausgezeichnet) und Ashley Greene (als Alice Cullen) in der „Twilight“-Reihe. Daneben war sie immer wieder in „How I Met Your Mother“ zu hören. Maire erhielt 2011 den Deutschen Hörbuchpreis als Beste Interpretin. 2014 las sie für den Hörverlag den Thriller „Schattengrund“ von Elisabeth Herrmann und erhielt für ihr „virtuoses Sprach-Spiel“ noch einmal den Deutschen Hörbuchpreis als Beste Interpretin.
Quelle: Der Hörverlag

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Über irveliest

Wie ihr euch sicher schon denken könnt lese ich sehr gerne, am liebsten Krimis und Thriller, aber auch niveauvolle Romane, Kinder- und Jugendbücher. Meine Lieblingsbuchhandlungen sind unsere kleine Buchhandlung am Ort und zum ordentlichen Stöbern Thalia in der Nachbarstadt. Online stöbere ich am liebsten bei lovelybooks und auch bei Amazon nach Büchern...
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4 Antworten zu *+* Ursula Poznanski: „AQUILA“ (Hörbuch) *+*

  1. Madame Lustig schreibt:

    Hallo liebe Irve,
    wann immer ich auf Blogs Bücher von Frau Poznanski sehe, frage ich mich, wieso um alles in der Welt ich noch keines davon gelesen habe?! Und auch jetzt frage ich mich genau das wieder, auch, wenn du nicht uneingeschränkt begeistert warst. Oder vielleicht auch gerade deswegen, denn gerade, was Spannung angeht, empfindet man das ja ganz gerne völlig unterschiedlich und da bin ich dann stets neugierig, ob ich das auch so sehen würde. Ich nehme deine Rezension nun also als Anlass und packe nun endlich das für mich erste Buch der Autorin auf meine Wunschliste! :D

    Ganz liebe Grüße,
    Maike

    • irveliest schreibt:

      Hallo Maike,
      ja, die Geschmäcker sind zum Glück vielfältig! Und ich kenne viele Leser/ Hörer, denen AQUILA ausnehmend gut gefallen hat. Mein persönlicher Favorit von Ursula Poznanski ist ja LAYERS, dicht gefolgt von EREBOS ;-)
      Wie auch immer, ich wünsche dir ganz viel Spaß mit deinem ersten Buch der Autorin!
      Liebe Grüße, Heike

  2. Zeilen Zauber schreibt:

    Huhu Heike,
    schade, nach deiner Rezi bin ich nicht mehr so sicher, ob ich das Buch noch lesen / hören möchte.
    LieGrü
    Elena

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