*+* Romy Hausmann: „Liebes Kind“ *+*

Krimi und Thriller gehören zu meinen Lieblings-Genres und ich habe schon viel aus diesem Bereich gelesen. Habe meine Lieblingsautoren gefunden, die mich zuverlässig mit jedem neuen Werk zu begeistern wissen. Wie hat es Romy Hausmann geschafft, sich direkt mit ihrem ersten Thriller in meine persönliche Top-Spannungsliga zu katapultieren?

„Liebes Kind“ ist ein Knaller. Der Thriller ist durchweg spannend, die Kurve flacht nicht ein einziges Mal ab, ganz im Gegenteil, sie steigt stetig an, selbst die letzten Sätze ließen mich ungläubig den Kopf schütteln. Die Vielschichtigkeit des Buches macht mich auch im Nachhinein noch staunen. Diese Reichhaltigkeit an Perspektiven, begeistert mich noch immer. Ebenso die klug verschachtelte Erzählweise, die zwar immer wieder neue Fragen aufwirft, aber überraschenderweise kein bisschen verwirrend ist. Schließlich rundet das gelungene Ende die schockierende Berichterstattung ab und ich bin trotz vorheriger Unsicherheiten und innerer Fragezeichen ganz und gar im Bilde.

Aber worum geht es eigentlich?
Als eine Frau im Krankenhaus zu sich kommt, bekommt der Leser Bröckchen für Bröckchen einer unglaublichen, grausamen Wahrheit hingeworfen. Die Frau, die laut eigener Aussage Lena heißt, hatte einen Unfall und ist gemeinsam mit ihrer Tochter Hannah eingeliefert worden. Zu Beginn erzählt die Autorin abwechselnd aus Lenas Perspektive und der ihrer Tochter. Später kommen noch weitere hinzu. Dadurch wird das Geschehen – sowohl die aktuelle Lage als auch die relevante Vergangenheit – intensiv und aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet, was dem Buch eine gewisse Dreidimensionalität verleiht.

Lena habe mit ihrer Familie in einer verriegelten, fensterlosen Hütte im Wald gehaust. Als sie – laut Aussage der Tochter – eine Dummheit gemacht hat, sei sie kopflos fortgerannt. Sie sei vor ein Auto gelaufen, der Fahrer hat einen Rettungswagen gerufen und nun liege sie im Krankenhaus. Während Lena zahlreiche Verletzungen davongetragen hat, ist Hannah nichts zugestoßen. Eine Schwester kümmert sich im das Kind und gerät in Sorge um sie. Denn die Dinge, die Hannah erzählt, machen nicht nur die Krankenschwester gruseln. Es sind Dinge, die dem Mädchen als das Normalste der Welt erscheinen, bei mir aber gewisse Beklemmungen hervorriefen. Auch die Schwester ist geschockt und sie leitet Maßnahmen zum Kindeswohl ein.

Die Hütte wird gefunden, die restlichen Familienmitglieder geborgen – neben dem Mann, der „gottgleich den Tag und die Nacht machte“ – gibt es noch Hannahs Bruder Jonathan. Soweit die Ausgangslage, aus der sich ein umfassendes Netzwerk aus Grauen, Angst, Beklemmung, Sorge, Pein und Panik entwickelt. Wie ist Lena in die Hütte gelangt? Was hat das Monster in der Hütte aus ihr gemacht? Warum? Wer ist er? Fragen über Fragen, Wahrheiten über Wahrheiten. Schockmomente über Schockmomente. Mit jeder Seite wurden meine Augen größer. Ich war hin- und hergerissen zwischen Abscheu über die intensiven Wenden und Begeisterung für die gelungenen Schachzüge, mit denen meine Verwirrung wuchs. Der Plot ist umfangreich, genial und unvorhersehbar. Zumindest für mich, denn Romy Hausmann hat mich ständig geschickt auf verlockende Holzwege geführt und mir dann jedes Mal im letzten Moment den roten Teppich unter den Füßen weggezogen.

Was macht es aus einem, wenn man aus dem Leben gerissen wird und sich von jetzt auf gleich Regeln und Gewalt unterordnen muss?
Was macht es aus einem, der in dieses Leben hineingeboren wird? Und was macht es aus einem, der nur das Leben in der Hütte kennt und plötzlich in die Normalität hineingeworfen wird?
Was macht es aus einem, wenn das geliebte Kind verschwindet, ohne auch nur ein einziges Lebenszeichen zu erhalten? Was macht es aus einem, wenn es dann plötzlich heißt, dieses Kind sei möglicherweise gefunden worden und man möge es identifizieren?
Was ist geschehen, dass sich jemand zum Gott aufschwingt und anderen Menschen seine Regeln aufzwängt?
All diese verschiedenen betroffenen Protagonisten-Typen sind brillant und mehr als glaubhaft ausgearbeitet. Ich konnte nicht aufhören zu lesen, denn die Autorin hinterließ oft kleine Cliffhanger, wenn sie von Kapitel zu Kapitel sprang, in denen sie die betroffenen Charaktere zu Wort kommen lässt respektive über sie und ihre Empfindungen, Erlebnisse und Erinnerungen berichtet. Diese Umsetzung bringt eine große Nähe zu den Betroffenen.

Die Stimmung wird durchweg intensiv eingefangen. Ich litt mit Lena und den Kindern, wenn Erinnerungen an die Hütte hochkamen, war mit den Eltern, die von jetzt auf gleich ihre Tochter verloren und verzweifelt versucht hatten, wieder zum normalen Leben zurückzufinden, und verfolgte mit gefrorenem Herzen gebannt und atemlos Lenas Zeit „danach“.

Kurz vor dem Schluss glich die Geschichte mit ihren vielen, vielen lose scheinenden Fäden einem Gordischen Knoten. Dann jedoch zieht die Autorin kurz an den richtigen Stellen und plötzlich ist alles klar, alle Fragen lösen sich in Luft auf und die Geschichte ist mehr als rund.

Very well done, Romy Hausmann, ich freue mich schon jetzt auf Ihren nächsten Thriller!


Wie schön, dass du meinen Beitrag gelesen hast!
Auf den Seiten dieses Blogs halte ich euch bei Facebook (Irve liest) und auf Insta (irveliest) auch zwischen Rezensionen , Rückblicken und Leselisten rund ums Buch auf dem Laufenden.
Schaut gerne mal vorbei!


Inhalt
Dieser Thriller beginnt, wo andere enden
Eine fensterlose Hütte im Wald. Lenas Leben und das ihrer zwei Kinder folgt strengen Regeln: Mahlzeiten, Toilettengänge, Lernzeiten werden minutiös eingehalten. Sauerstoff bekommen sie über einen »Zirkulationsapparat«. Der Vater versorgt seine Familie mit Lebensmitteln, er beschützt sie vor den Gefahren der Welt da draußen, er kümmert sich darum, dass seine Kinder immer eine Mutter haben. Doch eines Tages gelingt ihnen die Flucht – und nun geht der Albtraum erst richtig los. Denn vieles deutet darauf hin, dass der Entführer sich zurückholen will, was ihm gehört.
In ihrem emotional schockierenden und zugleich tief berührenden Thriller entrollt Romy Hausmann Stück für Stück das Panorama eines Grauens, das jegliche menschliche Vorstellungskraft übersteigt.

Aurorin
Romy Hausmann wurde 1981 geboren und war mit 24 Jahren Redaktionsleiterin bei einer Münchner Fernsehproduktion. Dort hat sie mit hunderten von Protagonisten gearbeitet und von deren Leben erzählt: von misshandelten Ehefrauen, somalischen Kriegsflüchtlingen, vernachlässigten Kindern. Seit der Geburt ihres Sohnes arbeitet sie frei fürs Fernsehen, seit 2016 schreibt sie regelmäßig für den blog http://www.mymonk.de. Darin erzählt sie von all den persönlichen Dingen und Erfahrungen, die ihr wirklich wichtig sind
Quelle: dtv

Über irveliest

Wie ihr euch sicher schon denken könnt lese ich sehr gerne, am liebsten Krimis und Thriller, aber auch niveauvolle Romane, Kinder- und Jugendbücher. Meine Lieblingsbuchhandlungen sind unsere kleine Buchhandlung am Ort und zum ordentlichen Stöbern Thalia in der Nachbarstadt. Online stöbere ich am liebsten bei lovelybooks und auch bei Amazon nach Büchern...
Dieser Beitrag wurde unter dtv, Thriller abgelegt und mit , , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

10 Antworten zu *+* Romy Hausmann: „Liebes Kind“ *+*

  1. Anja Schubert schreibt:

    Liebe Heike,
    Deine Rezension ist absolut begeisternd für dieses Buch. Da springt einem mit jeder Beschreibung entgegen, wie gut Dir „Liebes Kind“ gefallen hat.

    Ich denke, ich muss heute nochmal in die Buchhandlung meines Vertrauens.
    Viele Grüße
    Anja von Tii & Ana‘s kleine Bücherwelt

  2. mehrpfot schreibt:

    Guten Morgen Heike,
    eine tolle Rezension über ein Buch, von dem ich vor Wochen schon durch die Kurzbeschreibung des Verlages angefixt war.
    Ich warte ja auch schon sehnsüchtig auf die Ankunft meines Leseexemplares von diesem Thriller
    (irgendwo ist das Teil hängengeblieben, aber es ist auf dem Weg)
    Wünsche Dir einen schönen Tag.

  3. nilibine70 schreibt:

    Das steht auch ganz oben auf der WuLi!

  4. zwiebelchen73 schreibt:

    Ich habe das Buch regelrecht verschlungen. Der Plot ist genial umgesetzt.
    LG Anja

  5. booksandmore81 schreibt:

    Das Buch steht auch schon auf meiner Liste, obwohl ich nicht genau weiß, ob es auch wirklich gelesen wird. Vermutlich werde ich die Liste noch ausdünnen und dann mal schauen. Klingt auf jeden Fall total spannend :-)

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..