Die Antarktis fasziniert mich sehr, ebenso gerne mag ich Bücher mit Mehrwert. Die Beschreibung dieses Romans klang so, als ob er meinem Lesegeschmack gleich doppelt entspricht. Die Pionierin in der Antarktis, Caroline Mikkelsen, kannte ich bis dato nicht und ich war sehr gespannt darauf, wie ihre Expedition ins ewige Eis verlaufen ist, mit welchen Schwierigkeiten sie zu kämpfen hatte und welches großartige Gefühl es gewesen sein musste, diesen Meilenstein zu markieren. Natürlich war ich neugierig, was sich neben diesem faszinierenden Aspekt noch im Leben von Caroline Mikkelsen ereignet hat.
Der Buchstart hätte dann auch besser nicht sein können. Einführende Worte und Fotos der Expedition, auch von der „vergessenen Frau“ versetzten mich in eine richtig gute Leselaune, die vom Anfang der Geschichte weiterhin gestützt wurde. Die Autorin erzählt recht ausführlich, aber zu Beginn ist das natürlich sinnvoll, um seine Figuren intensiv einzuführen.
Mit dem Einsetzen des zweiten Handlungsstrangs setzte bei mir ein Abschwung der Begeisterung für das Buch ein. Jesse, motivierte und stets unzufrieden wirkende Journalistin, sucht verzweifelt ein Thema, mit dem sie sich an die Spitze setzen kann, um endlich weg von ihrem Lebensschicksal der „ewigen Zweiten“ wegzukommen. Da der Roman im Fahrwasser der aktuell befeuerten starken Frauenbilder einerseits – in diesem Fall Caroline Mikkelsen – und durch die überstarke Männerwelt unterdrückten Frauen andererseits – hier Jesse – fährt, finden sich leider nicht wenige Klischees in dieser Geschichte ein. Über die unzufriedene junge Frau im gegenwärtigen Handlungszweig konnte ich nur immer wieder den Kopf schütteln, denn ich konnte ihr Denken und Tun häufig nicht nachvollziehen. Zum Schluss der Geschichte kommt sie dann glücklicherweise in die richtige Spur und findet zu einer glücklicheren Lebensbetrachtung. Für mich hätte es sie mit ihrem belasteten Leben aber nicht gebraucht, um Carolines Geschichte zu erzählen.
Die Ausführlichkeit des anfänglichen Erzählstils bleibt durchweg bestehen, in relevanten Phasen der Pionierin legt die Autorin dann noch eine Schüppe drauf und sie beschreibt „gefühlt jedes Tortenstück auf der Hochzeit“, wie es meine Buddyread-Partnerin treffend formulierte. In der Hoffnung, dass die Zeit der Antarktis-Reise, die ich als Dreh- und Angelpunkt des Buches erwartet hatte – schließlich wird „die Vergessenheit der Pionierin“ in der Buchbeschreibung hervorgehoben – freute ich mich auf eine ebenfalls ausufernde Schilderung der Reise und Eindrücke der einmaligen Zeit, die Caroline auf dem Schiff zweifellos gehabt haben muss. Aber diese traten deutlich zurück hinter den Ereignissen auf dem Schiff und auch die Zeit im ewigen Eis ist unerwartet sehr kurz abgehandelt. Als eigenständige, motivierte, starke Frau mit einer besonders hervorgebrachten Leistung kam mir Frau Mikkelsen bis dahin an keiner Stelle vor, daher kann ich gut nachvollziehen, dass ihre „Pioniertat“ sehr schnell in Vergessenheit geraten ist.
Nach einem späteren einschneidenden Erlebnis wandelt sie sich dann aber, was auch schön beschrieben ist, zu einer zupackenden, den Ton angebenden, etwas von dauerhaftem Wert schaffenden Frau. Diese Phase hat mir neben dem Beginn des Romans mit am besten gefallen.
Natürlich ist die Erzählung überwiegend fiktiv und fußt auf wenigen Fakten und belegbarem Material. Ich hätte durch die Vermarktung des Buches jedoch weniger Ausführlichkeit in vermeintlichen Belanglosigkeiten erwartet und dafür mehr von der Reise in das ewige Eis, mehr Eindrücke, mehr Atmosphäre – wer hat schon das Glück, die Antarktis betreten zu können und sich von ihrer Macht und Größe verzaubern zu lassen. Hier geht das einmalige Erlebnis eher unter, was ich sehr schade finde.
Der Roman hat viele begeisterte Stimmen gefunden, mich hat er leider nicht so erreicht wie erhofft.
Inhalt
In ihrem packenden Roman zeichnet Arabella Meran die facettenreiche Lebensgeschichte von Caroline Mikkelsen, die als erste Frau die Antarktis betrat.
Das Lebensbild einer gefühlvollen und weltoffenen Frau, die lange Zeit von der Geschichte vergessen war.
Frederikshavn 1931: Im Fischhandel ihrer Familie lernt die neugierige, lebenslustige Caroline den charmanten Kapitän Klarius Mikkelsen kennen. Von seiner Stimme und seinen blauen Augen fühlt sie sich in eine Welt der Entdeckungen in weiter Ferne getragen. Sie folgt ihm in den norwegischen Walfanghafen Sandefjord und setzt durch, dass sie ihn auf seiner nächsten Expedition begleiten darf. 1935 betritt Caroline Mikkelsen als erste Frau das ewige Eis der Antarktis. Doch dieser Meilenstein erregt kaum Aufsehen. Zurück in Sandefjord begnügt sich Caroline nicht damit, zu Hause auf ihren Mann zu warten, sondern baut ihre eigene Nähschule auf. Erst 60 Jahre später sucht die erfolgreiche, aber unglückliche Journalistin Jesse Brubaker nach der vergessenen Pionierin und will ihre Geschichte erzählen. Als sie die Südpolreisende endlich aufspürt, verändert die Begegnung Jesses eigene Zukunft.
Ein faszinierender Roman, der die wahre Lebensgeschichte von Caroline Mikkelsen mit der Suche einer modernen Frau nach Lebensglück verwebt.
Autorin
Arabella Meran ist in Köln geboren und im Rheinland zwischen Heuballen und Kuhfladen aufgewachsen. Schon in Jugendtagen war sie literaturbegeistert und hat selbst Geschichten und Theaterstücke geschrieben, die sie mit ihren fünf Schwestern auf der Wohnzimmerbühne inszeniert hat. Sie war zehn Jahre lang als Anwältin tätig. 2016 hat sie ihre Robe an den Nagel gehängt und einen Masterabschluss im Fach »Biografisches und Kreatives Schreiben« erworben. Inzwischen lebt sie in Berlin, wo sie ihrer Berufung als Autorin und Schreiblehrerin folgt. Auf ihren vielen Reisen in die beeindruckenden Landschaften Skandinaviens und in europäische Kulturstädte schöpft sie Inspiration für ihre Romane.
Quelle: Tinte und Feder Verlag