+ Yrsa Sigurdardóttir: „SCHNEE“ (Hörbuch) +

SCHNEE(h) Eine Reisegruppe wird vermisst und gesucht – das ist eigentlich nichts Besonderes auf Island, besteht das Land doch zu weiten Teilen aus Schnee- und Eisgebieten. Und dennoch hat Yrsa Sigurdardóttir es geschafft, daraus mehr als neun Stunden spannenden Hörgenuss zu zaubern. Sie erzählt detailliert, beschreibt nicht nur intensiv die spektakuläre Landschaft nebst ihrer Gefahren, sondern verschafft auch allen relevanten Personen einen interessanten Hintergrund. Diese Informationen sind nicht nur Lückenfüller, denn die vermeintlichen Längen sind rückblickend oft miteinander verschlungen und dem großen Ganzen dienlich, respektive dienen sie dem Verständnis der Geschichte. Ich habe nicht nur die Erzählung stellenweise atemlos verfolgt, sondern war zum Schluss perplex wegen der absolut unerwarteten, genialen Auflösung, die allerdings gerne etwas weniger knapp hätte ausfallen dürfen – denn wer nicht in den richtigen Momenten aufmerksam ist, versäumt einen Teil des raffinierten Plot-Twists.

Die Autorin erzählt auf zwei Zeit- und drei Handlungsebenen. Ungefähr eine Woche vor der Suche erlebe ich gemeinsam mit der Reisegruppe deren Zeit im ewigen Schnee und Eis – warum sind die zwei Paare überhaupt dorthin gekommen, wie verläuft ihr Abenteuer -, in der Gegenwart begleite ich Jóhanna, die eigentlich in der Qualitätskontrolle einer Fischfabrik arbeitet und ehrenamtlich die Rettungswacht bei ihrer Suche nach den Vermissten unterstützt. Im Prolog des Thrillers wird ein einzelner alter Kinderschuh erwähnt, bei dem ich mich lange Zeit fragte, wie er in den Kontext der aktuellen Geschehnisse passen sollte. Ebenso beschäftigte mich, ob und was eine vermisste frühere Freundin Jóhannas mit den verschollenen Schneewanderern zu tun haben könnte. Die Vorkommnisse werden also nicht „schlank“ erzählt, sondern verflechten sich immer wieder mit kleinen Nebengeschichten, die „so ganz nebenbei“ den Thriller zu einer größeren Sache auspolstern.

Ein dritter Erzählstrang betrifft Hjörvar, der seit einigen Monaten auf einer Radarstation seinen Dienst tut. Dieser Bereich der Geschichte nahm mich am meisten mit, denn hier geschehen seltsame Dinge. Hat die Autorin mit den Wahrnehmungen des Mannes übernatürliche Elemente in ihr Werk eingeflochten? Oder lassen sich seine spooky Empfindungen logisch erklären, wenn auch weit hergeholt?

Diese Mystery-Momente ziehen sich über die Radarstation hinaus durch den gesamten Thriller und an einigen Stellen war es mir zu viel des Guten. Einige dieser Elemente sind im Nachhinein schlüssig, andere wirken an den Haaren herbeigezogen, was aber auch mein einziger Kritikpunkt an SCHNEE ist.

Sehr gelungen ist der Autorin die eingefangene Atmosphäre der endlosen Weite im Schnee und Eis, die jedoch auf mich oft klaustrophobisch wirkte. Da krampften sich dann kalte Finger um mein Leseherz… Gerne habe ich die Schilderungen der verschiedenen Handlungsebenen verfolgt, interessiert die verschiedenen Charaktere kennengelernt, während meine Festplatte im Hintergrund rödelte und rödelte, um die Verbindungen all der Geschehnisse zu ergründen. Die Auflösungen und Zusammenhänge wurden nach dem Zwiebelschicht-Prinzip aufgedeckt. Manches hatte ich mir schon vorher zusammenreimen können, anderes nicht. So war ich schließlich sehr überrascht von den Entwicklungen und Aufdeckungen am Ende.

Der Thriller endet so abrupt, dass in mir die Hoffnung auf einen nachgeschobenen zweiten Teil keimt….. SCHNEE hat mir supergut gefallen, was nicht zuletzt an der wunderbaren Umsetzung Dietmar Wunders liegt. Er hat mit seiner unnachahmlichen Art aus der ohnehin spannenden Geschichte einen atemberaubenden Thriller gemacht!

Inhalt
Was zwang die Freunde, sich mitten im harten Winter im isländischen Hochland zu bewegen, in Dunkelheit und Schneestürmen? Und warum verließen sie das kleine Obdach, das sie hatten, kaum bekleidet und den harten Bedingungen vollkommen ausgeliefert? Ein Rettungsteam wird in die abgeschiedene Gegend geschickt, um nach den Vermissten zu suchen. Währenddessen gehen an der einsam gelegenen Radarstation in Stokksnes seltsame Dinge vor sich. Nichts ist so, wie es scheint: Sei es die Blutlache, die im unberührten Schnee fernab der Zivilisation entdeckt wird, oder der kleine Kinderschuh, der Jahrzehnte nach der Vergrabung wiedergefunden wird …

Angesiedelt in der grandiosen isländischen Landschaft, beschreibt Yrsa Sigurdardóttir überzeugend, wie das Gehirn uns in Ausnahmesituationen täuschen kann. Die Ikone des skandinavischen Thrillers beherrscht das Spiel mit der Imagination, der schmalen Grenze zwischen Einbildung und Realität, perfekt und zeigt mit »SCHNEE« ihr ganzes Können.

Autorin
Yrsa Sigurdardóttir, geboren 1963, ist eine vielfach ausgezeichnete Bestsellerautorin, deren Spannungsromane in über 30 Ländern erscheinen. Sie zählt zu den »besten Kriminalautoren der Welt« (Times). Sigurdardóttir lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern in Reykjavík. Sie debütierte 2005 mit »Das letzte Ritual«, einer Folge von Kriminalromanen um die Rechtsanwältin Dóra Gudmundsdóttir. DNA ist Start einer neuen Serie um die Psychologin Freyja und Kommissar Huldar von der Kripo Reykjavik.
Quelle: Verlagsgruppe Penguin Randomhouse

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Über irveliest

Wie ihr euch sicher schon denken könnt lese ich sehr gerne, am liebsten Krimis und Thriller, aber auch niveauvolle Romane, Kinder- und Jugendbücher. Meine Lieblingsbuchhandlungen sind unsere kleine Buchhandlung am Ort und zum ordentlichen Stöbern Thalia in der Nachbarstadt. Online stöbere ich am liebsten bei lovelybooks und auch bei Amazon nach Büchern...
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