Eigentlich bin ich eher ein Freund der heiteren und vor allem der klaren Worte. Zu oft hinterließen mich schon in der Schule literarische Texte im Ungewissen. Wenn zwischen den Zeilen mehr steht als die Worte mir auf direktem Weg zu sagen vermögen, ist es eigentlich kein geeigneter Lesestoff für mich. Aber da auch in der Welt der Bücher Ausnahmen die Regel bestätigen, habe ich mich an dieses Buch herangewagt – eine Sammlung kürzerer und längerer Kurzgeschichten von Camilla Grudova.
Man möge mich nun bloß nicht nach der Intention des Gelesenen fragen – das überlasse ich gerne den Fachleuten -, aber meine Meinung zum Buch tue ich gerne kund. Es ist einfach….WOW!!
Nein, es ist kein normales Wow! Die Geschichten haben mir keine entspannende, erhellende Feierabendlektüre beschert, vielmehr ein schauriges Lesevergnügen, das mir Filme in schwarz und verschiedenen Grautönen vor dem inneren Auge abspielte – sowohl im Layout als auch in der Stimmung und den häufigen dystopischen und hoffnungslosen Aussichten. Obwohl mich das Gelesene häufig erschauern ließ, meine Weltanschauungen drehte, wendete und definitiv mehr als einmal auf den Kopf stellte, konnte ich nicht von dem Büchlein lassen. Es entwickelte einen gefährlich bebenden Zauber, dem ich mich einfach Geschichte für Geschichte, immer und wieder hingeben musste, innere und äußere Gänsehaut inklusive!
Immer wieder spürte ich eine kafkaeske Lesestimmung und einige der Stories haben sich in mir verankert, vor allem eine, „Agatas Maschine“. Sie schleuderte mich ebenso wie die meisten anderen Geschichten zwischen Faszination und Schauder hin und her und ließen meinen Blutdruck anschwellen, denn….. war das alles wirklich nur Phantasie?
Weder die Autorin noch ihre Figuren kennen jedwede Scham vor Hässlichkeit oder Sexualität. Das Anderssein ist in jeglicher Hinsicht das Normale. Wir lesen von Nähmaschinen, Babys, Puppen und Konserven, Schauplätze sind häufig verkommene Läden, die Protagonisten allesamt skurille Wesen und hin und wieder klopft auch der Feminismus laut an die Tür.
Wer sich zu solchem Stil hingezogen fühlt, wird sich in dieser Geschichtensammlung sicher wohlfühlen! Und auch, wer eigentlich mit solchen schrägen Gothic-Welten nichts anzufangen weiß, sollte gerne einmal einen buchigen Blick über den Tellerrand wagen. Mir hat dieser Leseausflug gefallen, er war ein eindrucksvolles Erlebnis!
Inhalt
Camilla Grudova entführt uns in ein schaurig-magisches und grotesk-humorvolles Universum, bevölkert von Puppen, Nähmaschinen, Konservenbüchsen und Spiegeln, bestimmt von absurden Ideologien und eigenartigen Regeln.
Aus der Ferne grüßen Margaret Atwood, Angela Carter, Edgar Allan Poe und eine Vielzahl literarischer und künstlerischer Traditionen, aber Grudovas mal schöne, mal verstörende und oft unheimliche Geschichten sprengen alle Genregrenzen. Ihre wache Intelligenz und ihr scharfsinniger Witz finden immer neue, überraschende und originelle Wege, gesellschaftliche Zwänge und Pflichten in moderne dystopische Fabeln zu verpacken.
»Die Erzählungen in Das Alphabet der Puppen sind fantastisch, magisch und grotesk und doch beschleicht uns hinter all den grausamen Absurditäten ein beständiges Gefühl des Déjà-vus, so als ob die verstörend anmutenden Regeln von Grudovas literarischer Welt womöglich doch ihr Spiegelbild in unserer eigenen Gesellschaft finden. Absolut fesselnde Lektüre!« Magda Birkmann, Ocelot, Berlin
»Camilla Grudova entwirft komplexe, atmosphärische Charaktere und Gesellschaften auf wenigen Seiten, wie es die meisten Autor*innen nicht in einem kompletten Roman schaffen. Selten habe ich Geschichten gelesen, die so viel Ambivalenz zulassen und gleichzeitig so großartig sind. Eine meiner größten Entdeckungen des Bücherjahrs.« Lisa Stöhr, Büchergilde Buchhandlung & Galerie, Frankfurt am Main
»Ein ganz großer Lesespaß!« Lilly Ludwig, Buchhandlung Jakob, Nürnberg
Autorin
Camilla Grudova lebt in Toronto. Sie hat Kunstgeschichte und Germanistik an der McGill University in Montreal studiert und ihre Prosa ist in The White Paper und Granta erschienen. Ihr Debüt »Das Alphabet der Puppen« (»The Doll’s Alphabet«, 2017) erschien fast gleichzeitig in Kanada, den USA und Großbritannien, wurde ins Französische und Spanische übersetzt, sorgte international für Aufsehen und stand auf der Shortlist für den Danuta Gleed Literary Award und den Shirley Jackson Award.
Quelle: Culturbooks