Als „Fahrenheit 451“ 1953 erstmals veröffentlicht wurde, mutete der Inhalt wie reine Fiktion und kluge Dystopie an. Nun, fast siebzig Jahre später, liest man das Buch eher mit einem beklemmenden Gefühl. Denn zu vieles, was vom Autor prophezeit worden ist, ist dabei, wahr zu werden.
Im Roman arbeitet die Hauptfigur Guy Montag als Feuermann und hat mit unseren Feuerwehrmännern nichts mehr gemein. Ganz im Gegenteil. Denn der Berufsbezeichnung fehlt nicht nur eine Silbe, auch wurde ihr Sinn und Zweck ins Groteske verdreht. Auch scheint durch die ausgelöschten vier Buchstaben den Berufstreibenden etwas zu fehlen, nämlich die Bereitschaft, sich zur Wehr zu setzen. Zur Wehr gegen Dummheit, Oberflächlichkeit und Willenlosigkeit. Auch Guy ist lange Zeit ein ebensolcher Feuermann, der blind dem oberen Befehl gehorcht, ohne ihn auch nur ein einziges Mal ansatzlos zu hinterfragen. Der Roman hat einen wohlbedachten Titel, denn 451 Fahrenheit ist der vom Autor angenommene Selbstentzündungspunkt von Papier. Und das muss brennen, alle Bücher sollen vernichtet werden, denn altes Wissen ist unerwünscht, es könnte die nun gängige Lebensphilosophie des nicht Denkens und sich berieseln Lassens gefährden.
Als einige Dinge geschehen, die von der Norm abweichen und Guy aus seiner Lethargie der Monotonie aufrütteln, beginnt er mit dem streng verpönten eigenen Denken und Bewerten und zieht seine Konsequenzen.
Mit seiner Dystopie hat der Autor mich in vielerlei Hinsicht überzeugt. Sie ist sprachlich sehr gefällig und passgenau verfasst, auch mutet die Spannungskurve mitreißend und fesselnd an. Die Charaktere sind eher knapp skizziert, dennoch erkennt man alle relevanten Eigenschaften – die sich bei einer Vielzahl der oberflächlichen Protagonisten leider an einer Hand aufzählen lassen -, sodass man einen guten Zugang zum Ensemble bekommt. Wirklich erschreckend für mich ist, wie zielsicher damals schon die Probleme der Zukunft erkannt und wegweisend umgesetzt worden sind. In den 1950ern gab es noch lange kein Internet nebst seinen Finessen und Auswirkungen. Natürlich sieht unsere technische Welt nicht exakt so aus wie im Buch beschrieben, auch gibt es gottlob keine
Feuermänner, die Bücher verbrennen respektive das ihnen inne wohnende Wissen vernichten. Wenn man sich aber umschaut, was die Social Media, die manchmal gar nicht so „social“ sind, mit uns machen, reflektiert, wie einige Staaten geführt werden, oder wie kalt, oberflächlich und gleichgültig auch im Kleinen die Menschen manchmal miteinander umgehen, ist es erstaunlich, welch präzise Message in „Fahrenheit 451“ orakelt worden ist.
Dieser Klassiker ist eine tolle Dystopie, die zwar einem Teil der Gesellschaft einen erschreckenden Spiegel vorhält, die aber auch einen Hoffnungsfaden in sich birgt, mit dem man die Entwicklungen umstricken, beziehungsweise sie in eine andere Richtung umlenken könnte.
Hört nie auf zu denken, zu (hinter)fragen und zu lernen!
Inhalt
Es ist eine Horrorversion des Internet-Zeitalters, die Bradbury vorausgesehen hat: Lesen ist geächtet, Wissen nicht erwünscht, auf Buchbesitz steht Strafe, und die Menschen werden mit Entertainment und Dauerberieselung kleingehalten. Der ›Feuermann‹ Guy Montag, der an den staatlich angeordneten Bücherverbrennungen beteiligt ist, beginnt sich nach einem traumatischen Einsatz zu widersetzen und riskiert dabei sein Leben.
Aus dem Amerikanischen von Peter Torberg
Autor
Ray Bradbury, geboren 1920 in Waukegan (Illinois), wurde gleich mit seinem ersten Roman, ›Fahrenheit 451‹, berühmt, den François Truffaut verfilmte. Bekannt für seine Science-Fiction schrieb Bradbury auch Kinderbücher, Gedichte und Drehbücher wie jenes zu ›Moby Dick‹ von John Huston. Ray Bradbury starb 2012 in Los Angeles.
Quelle: Diogenes Verlag
Dieses Buch steht auch schon lange auf meiner Liste und ich denke es wird Zeit, es zu lesen. Ray Bradbury hat großartige Werke verfasst – „Dandelion Wine“ ist ebenfalls sehr zu empfehlen. :-)
Bisher habe ich sonst nichts vom Autor gelesen, „Dandelion Wine“ schaue ich mir mal an. LG 📚