Zwei Jahre sind seit dem Kriegsende vergangen, noch gibt es viele Ruinen, Unordnung und ein Großteil der Bevölkerung lebt in Armut. In dieser Zeit wächst Paul heran. Als Kind hat er noch den Nationalsozialismus erlebt, war begeisterter Jungpionier. Derart hirngewaschen ist er auch heute noch ein glühender Verehrer der damaligen Werte.
Das Leben ist hart, Pauls Vater wird als tot vermutet, so schlägt der Junge sich gemeinsam mit der Mutter durch. Paul verbringt mehr Zeit mit seinen Freunden als zuhause, ist immer auf der Suche nach großen und kleinen Schätzen, um sie auf dem Schwarzmarkt einzutauschen. Seine Mutter tut ebenfalls, was sie kann, um sie beide durchzubringen. Jedoch scheint sie – mal von ihrer neuen Liebe abgesehen – nicht auf emotionaler sondern eher auf Vernunftsebene zu handeln. So kommt es zu einigen Szenen, in denen mir Paul einfach nur leid tat, denn seine Mutter benimmt sich seinen Gefühlen gegenüber wie ein Elefant im Porzellanladen.
Dabei liebt er seine Mutter so sehr. Doch ihr scheint jemand anders wichtiger zu sein. Natürlich kommt es dadurch zu Differenzen. Durch Pauls nationalsozialistisch geprägtes Denken könnten sie teilweise gar übelst gefährlich werden. Die Dinge nehmen ihren Lauf….
Sehr gut an diesem Jugendroman hat mir die Sprache gefallen. Die Autorin berichtet lebendig, lässt ihre Charaktere in Mundart sprechen, und malt plakativ ihre Kulissen und Handlungen aus. Jedoch ist mir alles ein Stück zu extrem umgesetzt. Ich meine nicht die Armut, das Denken und der Kampf um das tägliche Überleben an sich. Aber es wird einfach sehr viel in Pauls Geschichte gepackt. Das Schicksal des Vaters in seiner ganzen Bandbreite inklusive ihrer Folgen, die Konstellation von Pauls Clique, die Liebe der Mutter zum Ami, der natürlich in den meisten Köpfen weiterhin als böse und Feind existiert. Die oberflächliche, fast gleichgültige Art, die mir völlig unverständliche fehlende Kommunikation zwischen dem Jungen und seiner Mutter und schließlich die ganze, leider recht vorhersehbare, Entwicklung. Auch wenn die Einzelkomponenten realistisch sind und sicher nicht an ihnen gerüttelt werden kann, sind sie mir in dieser hohen Dichte einfach zu viel und zu unrealistisch für das Schicksal eines einzigen Jungen und seinen Dunstkreis. Für mich ist oft weniger mehr, daher trifft diese Umsetzung des Themas nicht ganz meinen Geschmack.
Die Aussagekraft, die Botschaften bleiben davon jedoch unberührt. Denn natürlich waren die Gegebenheiten nicht nur während des Zweiten Weltkriegs, sondern auch noch danach einfach grausam. Die Gesinnung ließ sich nicht so schnell aus den Köpfen entfernen. Allerdings habe ich diesbezüglich ein „Gegengewicht“ im Buch vermisst, das vehement und kraftvoll versucht, ein Umdenken einzuleiten und zu fördern. Es floss zwar immer wieder zaghaft ein, hatte aber bei Weitem nicht die Vehemenz, die nötig gewesen wäre. Die Unwissenheit der Bevölkerung zum Geschehenen ist erschreckend hoch, ebenfalls das Interesse, über den Tellerrand zu schauen und das Vergangene zu hinterfragen.
Inhalt
Berlin 1947: Wenn Paul nicht gerade mit seinen Freunden in den Trümmern Abenteuer erlebt, versucht er, auf dem Schwarzmarkt Lebensmittel zu organisieren. Sein Vater ist im Krieg verschollen, also fühlt Paul sich für seine Mutter verantwortlich. Doch dann erfährt er, dass sie den afroamerikanischen Soldaten Bill heiraten will. Für Paul bricht eine Welt zusammen. Denn er ist fest davon überzeugt, dass sein von ihm als Held verehrter Vater zurückkehren wird. Paul sieht nur eine Lösung: Er muss dafür sorgen, dass Bill aus seiner Familie verschwindet. Koste es, was es wolle.
Quelle: Magellan – Der Verlag mit dem Wal