Als Clara in jungen Jahren beauftragt wird, das Gewächshaus eines alten Landguts zu betreuen, hat sie schon einiges durchgemacht. Clara wurde mit der Glasknochenkrankheit geboren, wodurch ihr eine eingeschränkte, schmerzvolle Kindheit und Jugend beschert war. Glücklicherweise kümmerte sich ihre Mutter hingebungsvoll um sie und machte ihr das Leben dennoch so schön wie möglich. Als sie frühzeitig verstarb, war das ein noch größerer negativer Einschnitt in Claras Leben, als der Tode der Mutter es bei einer jungen Frau ohnehin ist.
Wenn Claras Schicksal sie eins gelehrt hatte, war es das Kämpfen, und so steckt sie in der schweren Situation nicht auf, sondern versucht, in Shadowbrook wieder auf die Beine zu kommen. Viel Zeit zu trauern oder über die Vergangenheit nachzudenken, hat sie ohnehin nicht. Denn auf dem Landsitz steht man ihr eher skeptisch gegenüber, sie muss sich behaupten – und tut es auch. Zudem spukt es dort, behauptet die Haushälterin. Die sehr wissenschaftlich angehauchte Clara versucht hingegen, für jedes zunächst unerklärbare Detail eine Begründung zu finden.
Bis hierhin war für mich noch alles in guter Ordnung. Denn so wie die weibliche Hauptfigur bin ich ebenfalls interessiert in den Gebieten rund um Medizin und Naturwissenschaften, und es hat mir großen Spaß gemacht, den anfänglichen ausführlichen Schilderungen zu Claras Krankheit zu lauschen. Dass sie als Botanikerin in Shadowbrook eingesetzt wurde, weckte große Erwartungen in mir, dass es nun intensiv auf diesem Fachgebiet weiterginge. Nun, es ging intensiv weiter, aber der Schwerpunkt schwenkte völlig von den ersten beiden Disziplinen weg, hin zum Thema Spuk. Trieben wirklich Geister auf dem Landgut ihr Unwesen? Oder ließ sich alles lupenrein ganz natürlich erklären? Diese lange, lange Passage langweilte mich recht schnell. Denn wer wie ich in dieser Hinsicht ein überzeugter Rationalist ist, empfindet das folgende langwierige Auseinanderklamüsern der shadowbrook´schen Vergangenheit, die möglicherweise einen spukenden Geist zu verantworten hat, möglicherweise als lähmend und ermüdend. Aber der Roman verweilt nicht bis zum Schluss bei diesem Thema, er macht einen erneuten Schwenk zu einer anderen Sache, die ebenfalls sehr intensiv aufgebauscht ist – dabei kann man sich hier, ebenso wie bei dem Spuk im Herrenhaus im Großen und Ganzen schon recht schnell denken, wie die Dinge gelagert sind und sich auflösen werden. Der Zusammenhang, der beide Fäden zusammenhielt, war jedoch überraschend für mich, wenn auch recht weit hergeholt und ziemlich unglaubwürdig.
Die Charaktere sind durchweg intensiv ausgearbeitet, gelungen, authentisch und überzeugend. Egal, ob man Clara betrachtet, die durch ihr frühes Schicksal geformt wurde, sich ihren Kampfgeist und Rückgrat durchweg bewahrt hat. Die Haushälterin und Dienstmädchen spukten ebenfalls lebendig vor meinem inneren Auge herum, der seltsame Mr. Fox wird meisterlich rätselhaft geschildert, auch die anderen Protagonisten hat die Autorin treffend umgesetzt.
Ich fand es jedoch sehr schade, dass die Erzählschwerpunkte mehrmals ganz krass wechselten und sich komplett von der wissenschaftlichen Atmosphäre des Buchbeginns entfernten. Auch der ausschweifende Erzählstil war mir zu viel des Guten. Ich mag intensive, gemächliche Beschreibungen, aber hier tritt für mein Empfinden die Geschichte oft auf der Stelle, dreht sich auch häufig im Kreis, bevor es endlich wieder ein Stück voran geht. Aber bekanntlich ist ja alles, auch Bücher und Geschichten, Geschmackssache.
Wer auf jeden Fall meinen Geschmack getroffen hat, ist die Sprecherin. Alexandra Sagurna fühlt sich einmalig in die Erzählung ein, verkörpert regelrecht die Hauptfigur Clara, transportiert deren Empfindungen und auch ihre Entwicklung angenehm und überzeugend. Sie hielt mich bei der Stange, denn als selbstgelesenes Buch hätte ich die Geschichte möglicherweise nicht bis zum Schluss durchgehalten.
Inhalt
Im Sommer 1914 wird die junge Botanikerin Clara Waterfield von London nach Gloucestershire gerufen: Sie soll auf einem Landsitz namens Shadowbrook den Aufbau eines Gewächshauses mit exotischen Pflanzen betreuen. Der Garten ist überwältigend, üppige Hortensien und Rosen drängen sich um gepflegte Rasenflächen, alles scheint vor Leben zu sprühen. Doch das alte Wohnhaus wirkt seltsam abweisend, die meisten Räume stehen leer oder sind verschlossen, der Eigentümer Mr. Fox ist viel auf Reisen. Haushälterin und Dienstmädchen wirken verängstigt – denn nachts scheint es im Haus zu spuken…
Übersetzt von Marieke Heimburger, gelesen von Alexandra Sagurna
Autorin
Susan Fletcher lebt in Stratford-upon-Avon. Sie hat mehrere Romane geschrieben, gleich für ihren ersten, Eve Green, erhielt sie 2004 den Whitbread First Novel Award. Auf Deutsch erschien neben Eve Green 2007 ihr Roman Austernfischer.
Quelle: steinbach sprechende bücher