Als Merediths Vater die Familie verlässt, zieht sie mit der Mutter und ihrem Bruder zu den Großeltern. Um genauer zu sein, wohnen sie von da an bei der Mutter ihrer Mutter und dessen Lebenspartner. Der erweist sich als das größte Glück für das Mädchen. Denn in all ihre Trauer um die verlorene gewohnte Lebenssituation und den Vater, den sie sehr vermisst, stechen die Bienen des Großvaters. Er ist es zwar rein biologisch gesehen nicht, aber das macht er mit viel Liebe, Weisheit, Geduld und Empathie gegenüber den Kindern wieder wett. Er ist Imker und als er sieht, wie intensiv und begeistert Meredith auf seine Bienen reagiert, weist er sie mit den Jahren in die Kunst der Imkerei ein und lehrt sie ganz nebenbei einige Lektionen des Lebens. Einen nicht unerheblichen Teil haben die Bienen daran, denn je mehr Meredith sich mit ihnen und ihrer Lebensweise befasst, umso mehr begreift sie, dass man viele Verhaltensweisen dieser imponierenden Insekten abstrahiert auch auf die menschliche Gemeinschaft übertragen kann.
Das hilft ihr oft, ihre eigentlich unerträgliche Mutter zu ertragen und über das manchmal fragwürdige Verhalten der Großmutter hinwegzusehen und ihren Fokus von den vielen Problemen, die sie umgeben, zu lösen und auf das Schöne zu lenken.
Der Roman von Meredith May ist autobiografisch und die Autorin zeichnet nicht nur den Strang um die Bienen mit einer feinen Feder, die auch kleinste Details ans Licht bringt, sie seziert auch stellenweise die einzelnen Charaktere und ihre Beziehungen zueinander. So begreift man zum Schluss hin, warum die Mutter so ist, wie sie ist – und sie ist entgegen meiner Meinung über weite Strecken des Buches keiner kreativen schriftstellerischen Ader, sondern der Realität entsprungen – und auch, warum die Großmutter in gewissen Situationen so extrem handelt, wie sie es tut.
Umso wertvoller hat das im Nachhinein für mich die intensiven, leicht verständlichen, fast schon empathischen Schilderungen im Bereich der Bienen gemacht. Diese Tiere erreichen hier eine weitaus höhere Wichtigkeit und Bedeutung als ihnen durch ihre wertvolle Arbeit des Bestäubens ohnehin schon innewohnt. Der Großvater hat mit seiner liebevollen Art Merediths Herz für die Imkerei geöffnet und somit den Bienen einen großen Dienst erwiesen – die Autorin ist Imkerin in fünfter Generation – aber dem Mädchen einen nicht minderen. Durch die Ordnung und den Sinn für das Gemeinwohl des Stockes, die Meredith im Bereich der Bienen erfuhr, konnte sie ihrem eigenen Leben zu Ordnung verhelfen. Rein äußerlich betrachtet, lebten sie und ihr Bruder zwar in strukturierten Verhältnissen, aber hinter der Fassade, im emotionalen Bereich, herrschte pures Chaos. Und das konnte Meredith durch die Erfahrungen mit den Bienen trotz allem auf einem ungefährlichen Level halten. Ich möchte nicht wissen, wie ihr Leben ohne die Imkerei des Großvaters verlaufen wäre.
„Der Honigbus“ hat mich tief erreicht und mich in meinem Faible für die Bienen und meiner Achtung vor ihnen bestätigt. Die autobiografischen, teils sehr emotionalen, Passagen sind ebenso überzeugend gelungen wie die Umsetzung des Bereichs um die Imkerei.
Inhalt
Ein rostiger alter Bus im Garten des Großvaters und seine Bienen werden für Meredith ihr einziger Halt. Denn sie ist erst fünf, als sie von ihren Eltern nach deren Trennung vollkommen sich selbst überlassen wird.
Der Großvater nimmt sie mit in die faszinierende Welt der Bienen – und rettet ihr so das Leben. Die Bienen werden Meredith zur Ersatzfamilie: Wenn sie sich verlassen fühlt, zeigen sie ihr, wie man zusammenhält und füreinander sorgt. Wenn sie über ihre depressive Mutter verzweifelt, bewundert sie die Bienen dafür, ihre Königin einfach austauschen zu können. Die Bienen lehren Meredith, anderen zu vertrauen, mutig zu sein und ihren eigenen Weg zu gehen.
»Der Honigbus« ist eine starke Geschichte über das Leben und die Weisheiten der Natur.
Autorin
Meredith May ist Imkerin in fünfter Generation. In ihrem Memoir »Der Honigbus« erzählt sie von den Lebenslektionen, die sie von den Bienen ihres Großvaters in Big Sur lernte und die für sie die Rettung aus einer schwierigen Kindheit bedeuteten.
May ist eine preisgekrönte Journalistin und Autorin. Sie schreibt für den »San Francisco Chronicle« und gewann den PEN USA Literary Award for Journalism und wurde für den Pulitzer Preis nominiert. Sie lebt in der San Francisco Bay Area und hältdort den letzten Bienenstock ihresinzwischen verstorbenen Großvaters. »Der Honigbus« wird in elf Sprachen übersetzt.
Quelle: Fischer Verlage
Und noch was für die Leseliste 😁
:-)
Liebe Heike,
mit deiner Rezi hast du mich angesteckt! Ich habe vor Kurzem eine Autobiografie gelesen, in der es um Bienen und das Imkern geht und hab mir somit nun dein Buch hier notiert. Ich möchte es sehr gerne lesen. Es passt gerade sehr gut zu meinen Lesevorlieben! :-) Vielen Dank!
GlG, monerl
Liebes Monerl,
ich bin mir ziemlich sicher, dass dir das Buch gefallen wird!
LG Heike