Der Krimi beginnt mit einem nebulösen, zeitlich vorgelagerten Prolog, dessen Bezug zum Geschehen in der Gegenwart erst recht spät klar wird. Diese Szene, in der wir ein kleines Mädchen in Not kennenlernen, war der Auslöser für viele Geheimnisse und Entwicklungen. Das alles wäre niemals ans Licht gekommen, würde Miriam nicht nach der Geburt ihres Kindes an unerklärlichen Panikattacken leiden und immer wieder mit seltsamen Situationen konfrontiert werden. Sie ahnt, dass es in ihrer Vergangenheit Dinge gab, die ihr bisher vorenthalten wurden, und versucht, der Wahrheit auf die Spur zu kommen.
Der Krimi wird zwar erzählt wie ein Roman, da er kaum Elemente aus dem Spannungsbereich, dafür eine einnehmende Sprache und einen fesselnden Schreibstil aufzuweisen hat. Aber es gibt einen kleinen Nebenstrang, der immer wieder mit der Haupthandlung verwoben wird und der Geschichte eine meiner Meinung unglaublich große subtile Spannung einhaucht. Die gemächliche Erzählweise stand meiner Ungeduld beim Lesen etwas entgegen. Ich wusste genau, dass etwas Gravierendes in Miriams Kindheit passiert sein musste, aber was? Und warum? Vor allem durch wen? Und wie passte die Nebenhandlung in all dieses Tohuwabohu?
Die Autorin versteht es, an den richtigen Stellen die Handlung derart voranzutreiben – manchmal mit einer klaren, manchmal mit einer nebulösen, diffusen Wirkung -, sodass ich lange Zeit wirklich nicht einordnen konnte, wie das relevante Beziehungsgeflecht gestrickt war und woher die Panikattacken der jungen Mutter kamen. Fast schon gemütliche Schilderungen wechseln sich ab mit äußerst packenden, weil intensiv beschriebenen Situationen, diese Mischung mochte ich sehr.
Den Krimi, der stilmäßig eher wie ein Roman anmutet, in mir selbst aber nach und nach eher die Wirkung eines Thrillers entwickelte, konnte ich nur äußerst schlecht aus der Hand legen, Ich mochte Miriam sehr, und war dementsprechend interessiert an den Entwicklungen und den nach und nach gewonnenen Erkenntnissen. Außerdem ist es natürlich immer wieder äußerst interessant, mitzufiebern und zu rätseln, wer welchen Dreck am Stecken hat oder hatte.
„Nordfinsternis“ ist feine, spannende, sehr gelungene Unterhaltung! Der Krimi hält mit seinem Geheimnis und dessen Rattenschwanz an Folgen nicht nur fesselnde Momente sondern auch sehr viel Menschlichkeit und Empathie für den Leser bereit. Von mir gibt es eine klare Leseempfehlung!
Inhalt
Ein dunkles Verbrechen an der Küste. Eine Familie, die schweigt. Und ein Mädchen, das vergisst. Bis Panikattacken Miriams Leben Jahrzehnte später außer Kontrolle bringen. Sie muss sich erinnern, um dem Geheimnis ihrer Vergangenheit auf die Spur zu kommen. Bald schon konfrontiert ein undurchdringliches Geflecht aus Lügen, Scham und Schuld sie mit ihrer größten Angst …
Autorin
Ricarda Oertel wurde in Kappeln an der Schlei geboren und zog von hier an viele Orte der Welt bis nach Monterey in Kalifornien. Sie ist examinierte Germanistin, Theologin sowie Erziehungswissenschaftlerin. Mehrere Jahre arbeitete sie heilpädagogisch mit Jugendlichen. Ihre Kurzgeschichten wurden für verschiedene Literaturpreise nominiert und ausgezeichnet. Heute lebt die Autorin mit ihrer Familie und Katze nahe der Stör in Schleswig-Holstein, wo sie neben dem Schreiben auch als freie Lektorin tätig ist.
Quelle: Emons Verlag