*+* Patricia Koelle: „Was die Gezeiten flüstern“ *+*

Als Valeries Welt durch einen Schicksalsschlag aus den Fugen gerät, nimmt sie eine Auszeit. Zu viele Gedanken umkreisen ihr Sein und sie möchte mit einigen Dingen – und mit sich selbst – ins Reine kommen. Einige Wurzeln ihrer Vergangenheit aufzuspüren und zu verstehen, ist Valerie ebenso wichtig wie herauszufinden, was sie mit ihrer Zukunft anfangen will. So verschlägt es das Berliner Mädel mit dem Herz am rechten Fleck zunächst in die Lüneburger Heide, wo ihr bereits ein Stück weit die Augen geöffnet werden. Ihre Zeit dort ebnet Valerie den Weg nach Amrum, denn schnell ist klar, dass sie nur dort die Fragen zu allen ihren Antworten und auch zu sich selbst wird finden können.

„Das Flüstern der Gezeiten“ ist der dritte Teil von Patricia Koelles Nordsee-Trilogie und besticht ebenso wie die beiden Vorgänger durch seinen freundlichen, lebensbejahenden Erzählstil. Egal, welche Brocken das Leben einem vor die Füße wirft, das ist kein Grund, aufzugeben und zu verzweifeln. Besonders gut hat mir der Satz „Es gibt keinen Tag ohne Schön darin.“ gefallen. Er bringt die positive Grundstimmung des Romans perfekt auf den Punkt!

Die Figuren sind Menschen wie du ich. Sie haben alle ihr Päckchen zu tragen und sind dennoch geprägt von einer grundsoliden Fröhlichkeit und Genügsamkeit, die mich sehr beeindrucken. Wie oft jammert man auf hohem Niveau, anstatt diese Zeit dafür zu verwenden, sich an den schönen Dingen und Erlebnissen zu orientieren. Es gibt sie!
Als Valerie nach Amrum kommt, ist sie von dieser freundlichen Sicht auf die Dinge beeindruckt und es fällt ihr überraschend leicht, sich auf der Insel nicht nur wohlzufühlen, sondern sich auch schnell zu integrieren. Sie lebt zusehends auf, bringt nach und nach immer mehr Licht in das Dunkel ihrer ungeklärten Fragen und ist ebenso fasziniert wie einmal mehr ich selbst von der liebenswerten Art der Menschen, die sie kennenlernt.

Auch dieser Teil der Trilogie ist eine in sich abgeschlossenen Geschichte, der man ohne Vorkenntnisse der beiden ersten Teile gut folgen kann. Wer aber die Romane von Patricia Koelle kennt, wird sich sehr freuen, erneut einige liebgewonnene Buchfreunde wiederzutreffen. Besonders glücklich war ich darüber, dass Skem, der geheimnisvolle, verschlossene, aber dennoch freundliche Mann, der mir immer einen Duft von Zitronen vorgaukelt, wenn ich über ihn lese oder an ihn denke, eine nicht unerhebliche Rolle spielt. Ich mag ihn seit der ersten Begegnung vor vielen Büchern und war mir sicher, dass es noch viel über ihn zu erzählen gibt. Stille Wasser sind tief, sagt man, und so verschlossen ist man oft, wenn man nicht so schöne Dinge erlebt und traurige, bedrückende Erinnerungen hütet.

„Das Flüstern der Gezeiten“ wird in zwei Handlungssträngen auf verschiedenen Zeitebenen erzählt. Valeries Reise nach Amrum spielt in der Gegenwart. Es gibt immer wieder eingeschobene Passagen, die von Skems Erlebnissen um den Zweiten Weltkrieg herum handeln und die gesamte Breitseite des Lebens erfassen. Und nicht nur hier lesen wir von Sorgen,Tod und Trauer, Liebe und Hoffnung, Glück und dem Zauber der Gemeinschaft – der Zufriedenheit, die Zusammenhalt und das Miteinander bescheren können, wenn man das Sein mit den richtigen Menschen teilt. Durch das Meer dieser Menschen schwimmt zuverlässig der Töveree, der Glücksfisch, der seit Jahrhunderten durch seine Legende am Leben erhalten wird.

Sehr gut gefällt mir, dass die Autorin nicht nur einen Mythos in ihre Geschichte einbaut, um sie interessanter oder gar mystisch zu machen. Sie geht den Dingen auf den Grund, interessiert sich für alles an ungewöhnlichen oder bemerkenswerten Dingen, die um sie herum geschehen und hinterfragt sie. Diese Eigenschaft fließt ganz wunderbar in den Roman mit ein, denn sie gibt den Überlieferungen über Generationen hinweg ein naturwissenschaftliches Gegengewicht, geht der Sache auf den Grund. Sie findet plausible Erklärungen, die die Mystik nicht schmälern, sondern – so habe ich es empfunden – sie im Gegenteil untermauern und verstärken.

Auch vor Valerie macht der Töveree nicht Halt und ich freute mich sehr, dass sie am Schluss des Buches Ordnung in ihre Gedanken bringen kann und klar sieht, was ihre Zukunft und auch ihren Platz im Leben betrifft. Bis es soweit ist, erlebt die junge Frau intensiv den Zauber des Lebens, in Form der Natur – die Autorin versteht es, auch die kleinsten Details zauberschön und groß und ihre Leser damit staunen zu machen -, durch die Menschen, denen sie begegnet und schließlich auch durch sich selbst und ihre neue Sicht auf die Dinge.

Diese großartige Geschichte spielt vor der tollen Kulisse Amrums. Die beglückende Atmosphäre, die der Insel innewohnt, hat Patricia Koelle leidenschaftlich und lebendig eingefangen. Egal ob bei einer Wattwanderung, beim Erleben des Tagesanbruchs, oder in vielen anderen Situationen, diese grandiose, einmalige Stimmung ist immer wieder auch auf mich als Leserin übergesprungen und ich habe mir oft gewünscht, „jetzt auch dort zu sein.“

Über irveliest

Wie ihr euch sicher schon denken könnt lese ich sehr gerne, am liebsten Krimis und Thriller, aber auch niveauvolle Romane, Kinder- und Jugendbücher. Meine Lieblingsbuchhandlungen sind unsere kleine Buchhandlung am Ort und zum ordentlichen Stöbern Thalia in der Nachbarstadt. Online stöbere ich am liebsten bei lovelybooks und auch bei Amazon nach Büchern...
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