Dies ist die Geschichte über das Emporium, einen magischen Spielzeugladen, aber auch über die Magie, die in uns selbst wohnt.
Dies ist die Geschichte über die Wahl, die man immer im Leben hat, eine Geschichte, über die Entscheidungen, die man trifft, und die Auswirkungen die man damit erzielt.
Dies ist eine Geschichte zweier Brüder, die unterschiedlicher nicht sein könnten, und sich doch so ähnlich sind.
Dies ist eine Geschichte über den Mut, den man manchmal haben muss.
Dies ist eine Geschichte vom richtigen Ziel und dem falschen Weg.
Letzten Endes ist es auch eine Geschichte, die einen begreifen lässt, dass die Liebe in ihren verschiedenen Entfaltungsarten eine großartige Form der Magie ist, deren Kunst offenbar nicht jeder vollständig zu erlernen vermag.
Und vor allem ist eine Geschichte auch für Männer. Lasst euch nicht von diesem Cover irritieren. Die Ballerina tanzt auch für euch, und der Kaiserliche Rittmeister, der bei der deutschen Ausgabe leider unterschlagen wurde, bricht eine Lanze. Nicht nur für die Romanfiguren, auch für euch! Lasst euch gerne auf diese Geschichte ein, taucht tief ein in die verschiedenen Erzähl-Ebenen, lasst die Worte zwischen den Zeilen ihre Wirkung tun und ihr werdet mir recht geben. „Die kleinen Wunder von Mayfair“ ist ein – ich sage es mal ganz salopp – Unisex-Buch. Alle Leser können sich und ihr Innerstes hier wiederfinden. Robert Dinsdale hat die Balance zwischen Inhalten gefunden, die Frauen und Männer bewegen. Wohl dosiert hat er seine Zutaten vermengt und herausgekommen ist ein Buch auf Spitzenniveau, das meines Erachtens nach das Zeug zum Klassiker hat.
Als die fünfzehnjährige Cathy schwanger wird, geben ihre Eltern ganz klar zu erkennen, dass ihre Tochter ihnen nicht länger willkommen ist. Aber in ein Heim für unverheiratete Frauen möchte Cathy nicht gehen. Glücklicherweise spielt ihr ein Zufall (wirklich?) in die Hände und sie ergreift ihre Chance. Sie stellt sich als Aushilfe in Papa Jacks Emporium vor. Cathy weiß nicht, was sie dort erwartet, aber ihr ist alles lieber, als in dieses Heim abgeschoben zu werden. Sie hat erneut Glück, denn sie erhält die Stelle – und die wird in jeglicher Hinsicht ihr Leben verändern.
Gemeinsam mit Cathy betrete ich am Tag des ersten Winterfrostes das Emporium und sehe mich bewundernd um. Ich liebe kreative und phantasievolle Geschichten, aber was sich der Autor für diese kleine heile Welt alles ausgedacht hat, lässt auch Intensiv-Lesern die Augen groß vor Staunen werden. Was mich alles verzaubert hat, möchte ich gar nicht en detail verraten…. Nur soviel: Es ist großartig, einzigartig, magiestätisch wunderbar, und wird wohl bei so manchem die Sehnsucht nach eben diesem Ort wecken. Wenn es das Emporium doch nur wirklich gäbe, wenn ich doch nur einmal dorthin gehen könnte, einmal in diese Welt eintauchen, sie mit allen Sinnen erleben – ja, das wäre schön! Da bleibt einem nur das Buch – aber dieses ist so wunderbar verfasst, so lebendig, so ansprechend, eindringlich, einfühlsam, dass es ein toller Ersatz ist!
Dramatisch ist es jedoch, dass diese magische Welt, die Insel inmitten der Realität, eine Folge großen Leids ist. Denn Papa Jack hat einen grausamen Krieg erlebt, an dem er fast zerbrochen wäre. Er hat einen anderen Weg gewählt als den des Wahnsinns, einen viel schöneren, der nicht nur ihn selbst am Leben hält, sondern auch viele andere Menschen glücklich macht.
Papa Jack hat zwei Söhne, sie sind grundverschieden. Beide lieben das Emporium – es ist ihr Leben – und versuchen, der großartigen Welt ihres Vaters eigene Kostbarkeiten hinzuzufügen.
Emil ist weniger kreativ und talentiert, hat es aber eine wahrlich unglaubliche Sache vollbracht, und die ist ein großer Spielzeug-Traum vieler Jungs!
Kaspar gelingt einfach alles. Er ist der Erstgeborene, hat den Kopf ständig voller Ideen und verfügt zudem über genug Talent, um all seine Kreationen zu magischem Leben zu erwecken. Als er in den Krieg ziehen muss, tut die Geschichte das, was sie oft zu tun pflegt: Sie wiederholt sich. Kaspar kommt verletzt und traumatisiert zurück, aber wie wird er mit seinen Erlebnissen, seinen Erfahrungen und den Folgen umgehen? Verzweifelt er, bricht es ihn, oder geht er nach seinem Vater, der sich der Liebe und Magie verschrieben hat, um dem Grauen etwas Positives entgegen zu setzen?
„Was, wenn man in einer Situation gefangen ist, mit der man nicht einverstanden ist?
Was, wenn man jemand ist, der man nicht sein will?
Wie kann man die Kontrolle über seine Lebensreise gewinnen?
Es heißt, dass das Schicksal gottgegeben ist, Aber was, wenn man sich damit nicht abfinden will?“
Das Schicksal des Einzelnen oder auch der Allgemeinheit interessiert die Welt nicht. Sie dreht sich weiter und irgendwie finden die Protagonisten einen Weg, miteinander umzugehen. Spätestens hier setzt der Autor der sorglos-herzensschönen Stimmung im Emporium ein riesiges Gegengewicht entgegen. Es wird zunehmend dramatisch, die heile Welt bekommt Risse. Die Geschichte, deren Handlung, Stimmung, Verhalten der Charaktere spitzen sich derart zu, dass sowohl die Magie als auch ein Teil der Liebe immer mehr auf der Strecke bleiben. Und dann kommt eine mehr als überraschende Wende, die mich erschütterte.
Niemand ist eine Insel, jeder steht im Zusammenhang mit den anderen aus seiner persönlichen Umgebung und es ist dringend ratsam, Kompromisse zu schließen, gemeinsame Lösungen zu suchen, zu finden und umzusetzen anstatt ohne Rücksicht auf Verluste seinen eigenen Willen durchzusetzen – und sei er noch so nachvollziehbar -, denn was nutzt es, wenn man seinen uneingeschränkten Willen bekommt, andere Menschen, denen man eigentlich Liebe entgegenbringen sollte, dadurch unglücklich werden? Das kann auch dem eigenen Seelenfrieden nicht guttun.
„Alles verändert einen. Die kleinen Dinge wie die großen. Man kann einschlafen und als ein anderer Mensch wieder aufwachen, und das nur wegen eines Traums. Und man kann nie wieder der Alte werden. Jemand, der das versucht, kann sich dabei verlieren.“
„Die kleinen Wunder von Mayfair“ hat gute Chancen mein Buchlight des Jahres 2019 zu werden, auch wenn wir erst Januar haben. Die Geschichte an sich – ihre Ausgangslage und Entwicklung -, die Wahl und Ausarbeitung der Charaktere, der Kontext zwischen den Zeilen, die Vielschichtigkeit, der Facettenreichtum, die großgroßgroßgroßartige Magie, die dem Roman innewohnt, ebenso die Liebe und Wärme, die immer wieder aufblitzen, und nicht zuletzt meine von mir gezogenen, ganz persönlichen Schlüsse, die mir der Zauber dieses Herzensbuches offenbart hat, haben mich exorbitant begeistert und ich kann es nur empfehlen! Einzig das Cover bremst meine Euphorie, denn es spiegelt bei Weitem nicht die Tiefe wider, die dem Buch innewohnt.
Weitere Rezensionen findet ihr bei
AstroLibrium, dort bekommt ihr sogar das Cover der Original-Ausgabe zu sehen
und bei
Nicoles Bücherwelt, die ebenso vom Zauber der Magie eingefangen wurde wie ich.
Inhalt
Entdecken Sie mit Robert Dinsdales „Die kleinen Wunder von Mayfair“ Londons einzigartigen Spielzeug-Laden und einen ergreifenden Liebes- und Familien-Roman zum Anfang des 20. Jahrhunderts.
Alles beginnt mit einer Zeitungsannonce: »Fühlen Sie sich verloren? Ängstlich? Sind Sie im Herzen ein Kind geblieben? Willkommen in Papa Jacks Emporium.« Die Worte scheinen Cathy förmlich anzuziehen, als sie nach einer neuen Bleibe sucht. Denn im England des Jahres 1906 ist eine alleinstehende junge Frau wie sie nirgendwo willkommen, zumal nicht, wenn sie schwanger ist – und so macht Cathy sich auf nach Mayfair. In Papa Jacks Emporium, Londons magischem Spielzeug-Laden, gibt es nicht nur Zinnsoldaten, die strammstehen, wenn jemand vorübergeht, riesige Bäume aus Pappmaché und fröhlich umherflatternde Vögel aus Pfeifenreinigern. Hier finden all diejenigen Unterschlupf, die Hilfe bitter nötig haben. Doch bald wetteifern Papa Jacks Söhne, die rivalisierenden Brüder Kaspar und Emil, um Cathys Zuneigung. Und als der 1. Weltkrieg ausbricht und die Familie auseinander reißt, scheint das Emporium langsam aber sicher seinen Zauber zu verlieren …
Autor
Robert Dinsdale, Jahrgang 1981, wuchs in North Yorkshire auf. Er lebt mit seiner Tochter in Essex und arbeitet als Literaturagent. Wenn er sie nicht gerade zur Schule fährt, geht er am Meer spazieren, arbeitet am Computer oder besucht die örtliche Bibliothek (das kann er sehr empfehlen!). »Die kleinen Wunder von Mayfair« ist sein dritter Roman.
Quelle: Droemer Knaur
Was für eine Rezension! Die Liebe zu diesem Buch spricht aus jeder Zeile. Ich werde es auf jeden Fall lesen (denn eigentlich liegt es hier schon).
Na dann ran ans Buch, es ist so toll, dass ich es mir auch noch im Original organisiert habe. ;-)
Liebe Grüße, Heike