„Ein ungewöhnlich ergreifendes und bewegendes Buch … brillant geschrieben … es wird die Leser dazu bringen zu lachen – laut zu lachen …“.
So lautet das Urteil einer Buchbesprechung der New York Times, dem ich gerne zustimme. Allerdings mischten sich in mein Lachen bittere Untertöne. Einer meiner Söhne ist Autist, so wie Gus. In dessen Beschreibungen finden sich immer wieder Parallelen zu meinem Kind, was mich unbewusst aufatmen ließ, denn manche Kinder sind zwar anders, aber damit sind sie nicht allein. Geteiltes Leid ist gefühlt halbes Leid.
Die Sorgen teile ich uneingeschränkt mit der Autorin, ebenso intensiv, ebenso zukunftsweisend. Und das hat meinen zahlreichen Lachtränen viel zu viele Schluchzer beigefügt. Denn, sind wir ehrlich, wie die Zukunft der heutigen am Beginn der Pubertät stehenden Autisten aussehen wird, steht in den Sternen. Wie ein Kaleidoskop zeigt sich ein riesiges Füllhorn an Möglichkeiten, und niemand weiß, wer sich in welche Richtung entwickeln wird, und das macht einem schwer zu schaffen.
Ein autistisches Kind zu haben bedeutet aber nicht ein ausschließlich kummervolles Leben. Je nachdem, wie tolerant die Mitmenschen einem begegnen – und da scheinen die USA ebenso wie im Bereich Wissenschaft, Forschung, schulische Unterbringung und Alltagsleben unserem good old Germany meilenweit voraus zu sein -, und welches Glück man bei der Betreuung und Förderung hat, kann das Leben mit einem solchen Kind stellenweise auch recht entspannend und sorgenfrei sein. Und definitiv bereichernd, denn die Sicht auf die Dinge – im Großen und im Kleinen – ist manchmal erfrischend anders und bisweilen inspirierend.
Judith Newman schildert ihren Alltag mit Mann und den gemeinsamen Zwillingssöhnen, einer autistisch, einer ohne Störbild, blickt dabei auf vergangene Erlebnisse zurück. Sie erklärt mit einem Blick voller mütterlicher Liebe, aber nicht durch die rosarote Brille, auf das Verhalten und die Entwicklung des betroffenen Sohnes, führt wissenschaftliche Erklärungen und Erkenntnisse an, die das bisweilen seltsam anmutende Verhalten sehr gut und nachvollziehbar begründen und gibt an alle Leser, die mit dieser „Spezies“ noch nicht näher zu tun hatten, Entwarnung: Autisten sind auch nur Menschen. Das, was sie tun, ist niemals böswilligen oder gedankenlosen Hintergründen geschuldet. Sie leben durch die andere Strukturierung ihres Gehirns und der fehlenden Spiegelneuronen in einer Art anderen Welt, in der andere Regeln zu gelten scheinen. Und die halten sie zuverlässig ein. Nicht mehr und nicht weniger. Es gilt, Überschneidungen der beiden Welten zu finden, und da, wo es sie nicht gibt, Kompromisse zu finden und ein wenig mehr Toleranz walten zu lassen, als man es sonst tun würde.
Lasst euch auf dieses Buch ein, blickt über den Tellerrand. Lacht, schmunzelt, denkt nach, erweitert euren Horizont – es lohnt sich, und ist nebenbei noch sehr unterhaltsam und mit einem sympathischen Augenzwinkern geschrieben.
Inhalt
Eine bezaubernde Liebeserklärung an eine Maschine – und an einen ganz besonderen Jungen.
Gus ist 13 Jahre alt und Autist. Seine große Leidenschaft sind Wetterbeobachtungen, doch mit seinen Fragen überfordert er seine Mutter regelmäßig. Bis diese zufällig auf Siri stößt, Apples persönliche iPhone-Assistentin. Nicht lange, und Siri wird Gus‘ beste Freundin – immer ansprechbar, stets freundlich und nie um eine Antwort verlegen. Doch Siri stillt nicht nur Gus‘ Hunger nach Daten und Fakten, sondern sie hilft ihm auch, besser zu kommunizieren …
Autorin
Judith Newman ist Journalistin und Autorin. Sie ist verheiratet und Mutter zweier Zwillings-Söhne, von denen einer unter dem Asperger-Syndrom leidet. Sie lebt in New York.
Quelle: Fischer Verlage
Gekauft! Überzeugende, wundervolle Rezension.