*+* David M. Barnett: „Miss Gladys und ihr Astronaut“ *+*


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Major Tom ist an seinen Platz an Bord der Raumsonde gekommen, wie die Jungfrau zum Kinde. Eigentlich sollte er nur den ersten britischen Astronauten bei dessen Presseauftritt begleiten, aber durch eine Fügung des Schicksals trägt nun Thomas selbst den Raumanzug. Der Flug zum Mars ist ein One-Way-Ticket, denn Major Tom wird auf dem Planeten einige Maßnahmen installieren, die das dortige (Über)Leben ermöglichen. In einigen Jahren soll dann Verstärkung – weitere Testpersonen – kommen, aber bis dahin wäre er allein. Allein….welch verlockender Gedanke für den Mann, dem das Leben in fast jeder Hinsicht übel mitgespielt hat. Sein Vertrauen in andere Menschen ist längst versiegt, an das eigene Glück glaubt er schon längst nicht mehr. Nichts erscheint ihm verlockender, als ohne andere Menschen um ihn herum eine fremde Welt zu erkunden und sein in jeder Hinsicht eigener Herr zu sein. Also beschließt er, nebst jeder Menge guter Musik und Rätselheften die Reise zum Mars anzutreten.

So einsam wie erwünscht ist er jedoch nicht. Sein spektakulärer Flug soll möglichst medienwirksam ausgeschlachtet werden und so gibt es zahlreiche Zuschaltungen vom Bodenstützpunkt aus. Aber Major Tom denkt und handelt getreu dem Motto „Ihr könnt mich alle mal, ich bin außerhalb eurer Reichweite und tue, was ICH will…“ So gibt es einige unschöne, unfreundliche Szenen. Aber es gibt auch Kontakte, die den Astronauten nach und nach aus seiner Verbitterung lösen. Immer wenn er mutterseelenallein im Cockpit sitzt und sich die Zähne an einem seiner Rätsel ausbeißt, geistern Passagen seines Lebens durch seine Gedanken, die durch die Ausführlichkeit in der Schilderung für einige Längen sorgt. Kurz nach dem Abflug beschließt er daher, seine Exfrau anzurufen, was mittels eines installierten Iridium-Telefons möglich ist. Naja, was möglich wäre, wenn seine frühere Frau noch ihre alte Telefonnummer hätte. So landet Major Tom bei Gladys und die Dinge nehmen ihren Lauf….

Bei Gladys und ihrer Familie sieht es ähnlich trostlos aus wie bei dem künftigen Marsbesucher. Sie ist eine betagte Dame, warmherzig, liebevoll, die ihre Enkel, mit denen sie zusammen lebt, aus ganzer Seele liebt – und sie ist dement. Sie verlegt alle möglichen Sachen, tut aber auch viele folgenschwere Dinge, die ihre Familie an den Rande des Ruins bringen. Gladys soll sich um ihre Enkel kümmern, aber eigentlich ist es eher so, dass die Kinder ihre Oma versorgen. Als sich die Lage immer mehr zuspitzt, hat Gladys plötzlich Major Tom am Telefon, was ihr anschließend zunächst niemand glaubt. Es bleibt aber nicht bei diesem einen Telefonat und mit der Zeit werden Gladys, ihre Enkel und der Astronaut fast schon zu Freunden, die füreinander da sind, ihre Sorgen teilen und sich helfen.

Natürlich ist diese Geschichte konstruiert, an einigen Stellen habe ich sie fast schon als hanebüchen empfunden. Aber hier geht es nicht um einen logischen, glaubwürdigen Plot, der ins alltägliche Leben transportiert werden kann. Dieser Roman erzählt, was die Widrigkeiten des Lebens aus einem Menschen machen können, erzählt, wie verschieden unterschiedliche Menschen auf verschiedene Probleme reagieren und wie wichtig es ist, für andere da zu sein, zuzuhören, ihnen Zeit zu schenken und ihnen zu helfen, sofern es einem selbst möglich ist.

Sehr berührt hat mich Gladys, die aus ganzem Herzen nur das beste für ihre Enkel will, und durch ihre Erkrankung fast immer das Gegenteil erreicht. Bewegend sind auch die Schilderungen ihrer Enkel, die alles tun, um ihre Familie über Wasser zu halten, die über sich selbst hinauswachsen, zu scheitern drohen und schließlich Hilfe von einer unerwarteten Stelle erhalten.
Etwas extrem skizziert war mir Major Tom – gibt es wirklich solche Stinkstiefel? -, der sich aber mit jedem Kilometer, den er sich mehr von der Erde entfernt, glücklicherweise sehr zum Vorteil entwickelt. Vielleicht helfen manchmal ein anderer Blickwinkel und ein größerer Abstand, um die Dinge so zu sehen, wie sie sind. So hat er in einigen Belangen seine Meinung angepasst. War ich zu Beginn noch froh, dass er aus freien Stücken zum Mars fliegt, tat es mir hinterher fast schon leid, dass er schließlich verschwindet und für Gladys und ihre Enkel nicht mehr greifbar ist.

Fazit:
Ein ungewöhnlicher Roman mit einigen Längen, der stellenweise zwar überkonstruiert wirkt, dies aber mit wachsender Warmherzigkeit ausgleicht.

Inhalt
Die gute Miss Gladys kann sich nicht mehr alles merken, aber dieser Telefonanruf ist unvergesslich: Der Astronaut Thomas Major ist am Apparat, gerade auf dem Weg zum Mars. Er hat sich natürlich verwählt und will am liebsten gleich wieder auflegen. Aber Miss Gladys und ihre Enkel brauchen seine Hilfe. Zögerlich und leise fluchend wird der Mann im All zum Helfer in der Not. Tausende von Kilometern entfernt, führt er die drei auf seine ganz eigene Art durch schwere Zeiten, denn Familie Ormerod droht ihr Zuhause zu verlieren. Miss Gladys und ihr Astronaut brauchen einen galaktisch guten Plan …

Autor
David Barnett schreibt u.a. für „The Independent“, „Daily Mail“ und „The Guardian“. Nebenbei lehrt er an der Leeds Trinity University. Mit „Miss Gladys und ihr Astronaut“ hat er seinen ersten Unterhaltungsroman geschrieben. David Barnett wohnt mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in West Yorkshire.
Quelle: Ullstein Buchverlage

Über irveliest

Wie ihr euch sicher schon denken könnt lese ich sehr gerne, am liebsten Krimis und Thriller, aber auch niveauvolle Romane, Kinder- und Jugendbücher. Meine Lieblingsbuchhandlungen sind unsere kleine Buchhandlung am Ort und zum ordentlichen Stöbern Thalia in der Nachbarstadt. Online stöbere ich am liebsten bei lovelybooks und auch bei Amazon nach Büchern...
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