Im ersten Teil der Nordsee-Trilogie „Wenn die Wellen leuchten“ haben wir auf Amrum Rhea sowie ihre Mutter Filine und andere Inselbewohner kennengelernt, von denen ich viele sehr lieb gewonnen habe. In dieser Fortsetzung führt uns Patricia Koelle zunächst nach Amerika, wo sie von Pinswin, Filines Zwillingsbruder, und seiner Familie erzählt. Er hat mit Jessianna ebenfalls eine Tochter und ist schon fast ihr gesamtes Leben lang in Sorge um sie. Jessianna war als Kind schwerkrank und hat seitdem mit Bronchienproblemen zu kämpfen. Als diese eines Tages zu schlimm werden, beschließt der Vater, Jessianna zur Heilung an die raue Nordsee zu schicken.
Dort heilt nicht nur die Lungenerkrankung aus, die junge Frau sieht dort zudem viele Dinge ihres Lebens in einem ganz anderen Licht . Sie kann viel klarer ihre Ziele erkennen, und vor allem sieht sie auch den Weg, um sie zu erreichen.
„Es war wie so oft. Es stellte sich heraus, dass sie ihr Glück schon ganz allein gefunden hatte. Glück kommt nicht davon, was man hat oder was einem geschieht. Glück kommt daher, wie man sein Leben und die Menschen und die Dinge um einen herum betrachtet.“
Bevor Jessianna nach Amrum geschickt wird, hat der Leser genug Möglichkeiten, sie und ihr liebes Wesen kennenzulernen. Pinswins Tochter ist ebenso neugierig wie ihr Vater selbst und steckt stets voller Fragen, deren Antworten sie jedoch nicht immer sofort selbst findet. Das macht aus ihr einen wissbegierigen, freundlichen, aufgeschlossenen Menschen. Zudem hat sie ein großes Herz für ihre Freunde und sieht das Leben bedingt durch ihre frühere schwere Erkrankung nicht als eine Selbstverständlichkeit an, sondern als ein Geschenk, mit dem man sorgsam und liebevoll umgehen sollte. Eine besonders große Rolle in ihrem Leben spielen ihr Verlobter Ryan, der Jessianna lieber bei sich behalten hätte als sie einen ganzen Sommer lang an die Nordsee ziehen zu lassen. Aber Gesundheit und Wohlbefinden seiner Liebsten stehen für ihn an höherer Stelle als seine eigenen Wünsche und so mag er ihrer Genesung nicht im Wege stehen. Katriona ist Jessiannas beste Freundin und sie hat mit ihrer eigenen Gesundheit nicht so viel Glück. Ihre Krankheit lässt sich nicht mit der Nordseeluft kurieren und sie muss auf lange Sicht dem Tod in die Augen blicken. Wie positiv Katriona ihr Schicksal annimmt, hat mir sehr imponiert. Sich aufgeben und die Freuden des Lebens verwehren, das kommt für sie nicht infrage. Für Jessianna übrigens auch nicht. Sie hilft ihrer Freundin, wo sie nur kann, was diese dankbar annimmt, und ihr Leben in vollen Zügen genießt, wann immer das möglich ist. Sie monatelang in Amerika zurücklassen zu müssen, fällt Jessianna noch schwerer als bei Ryan.
Pinswin, ihr Vater, ist nicht mehr der Jüngste, und auch er gibt immer wieder Anlass zur Sorge. Aber so ist es nun einmal, das Leben. Wir suchen uns nicht immer den Weg aus, den wir gehen möchten. Das einzige, was wir tun können, ist, allem das Beste abzugewinnen. Und wenn wir das nicht alleine tun müssen, ist es umso besser.
„So sah Freiheit aus, nicht nur die äußere, sondern auch die innere. Hier war Platz für alles, was in einer Seele stattfinden kann, ein riesiger, überschwänglicher, grenzenloser, triumphaler, glückseliger Raum, um einfach nur darin lebendig zu sein.“
Jessiannas Geschichte wird interessant verwoben mit der von Pinswin. Er ist von Kindesbeinen an auf der Suche nach dem Töveree, diesem zauberhaften, leuchtenden, sagenumwobenen Fisch, der bisher mehr die Phantasie entfacht als Beweise erbracht hat. Aber wie so oft werden Ausdauer und der Glaube an sich belohnt, denn Pinswin kommt dem Töveree – dem Wissen um den Fisch selbst, aber auch seinem magischen Leuchten – immer mehr auf die Spur. Ich fand es sehr faszinierend, diesen wissenschaftlichen Zweig zu verfolgen. Er zeigt, dass alle Magie des Lebens keine Hexerei ist, sondern mit Fakten belegt werden kann – ohne dabei seinen Zauber zu verlieren, ganz im Gegenteil!
„Solange du etwas bewegst, bist du frei und lebendig.“
Pinswins Erzählstrang ergänzt sehr schön die Hauptgeschichte des Romans und gewährt zudem viele kleinere und größere Rückblicke auf „Wenn die Wellen leuchten“, sodass Neueinsteiger sanft auf den nötigen Kenntnisstand gebracht werden, Kenner des Auftaktbandes der Trilogie wieder schön in die Geschichte hineingeführt werden.
„Man kann nie zu alt sein, um ein bisschen Leben und Farbe in der Welt zu verteilen.“
Die Charaktere sind so liebevoll und umfassend erschaffen, wie man es von der Autorin gewohnt ist. Auch in diesem Roman gibt es ein herzliches und erfreuliches Wiederlesen mit Figuren aus früheren Büchern, die ich alle sehr mag und mich darum umso mehr gefreut habe, sie so klug und stimmig in diesen Roman hineingeschrieben zu finden.
Obwohl es mal wieder keine Bösewichte gibt, schafft es Patricia Koelle, eine vielseitige, facettenreiche und interessante Geschichte zu erschaffen, die durch die geschickte Platzierung von Handlungsabzweigungen, Rückblicken, Gedanken und Cliffhangern dennoch einen Gutteil Spannung enthält. Neben den sehr gelungenen Charakteren, der einnehmenden Erzählmelodie, der wunderschönen Sprache, dem Flair Amerikas und später dem großartigen Amrum-Feeling trugen auch diese fesselnden Passagen dazu bei, dass ich „Dünenschimmern“ – der Titel ist übrigens perfekt gewählt! – in rasender Geschwindigkeit gelesen habe. Das Tüpfelchen auf dem „I“ war für mich wieder die überbordende Kreativität der Autorin, mit der sie aus ganz gewöhnlichen Leben und Schicksalen eine Schatzkiste an Wohlbefinden, Zufriedenheit und Glückseligkeit schafft.
Und nun heißt es Vorfreude auf den finalen Band <3
Inhalt
Jessieanna lebt in Kalifornien. Sie arbeitet in der Kosmetikfirma ihrer Großmutter. Ihr großes Ziel ist es, eine Lotion herzustellen, die nicht nur auf die Haut, sondern auch auf die Seele wirkt. Doch der perfekte Duft dafür will ihr nicht gelingen.
Als ihr Vater darauf besteht, dass sich Jessieanna nach einer schweren Lungenerkrankung in seiner alten Heimat auskuriert, ist sie alles andere als begeistert. Was soll sie in der Fremde auf der kalten Nordseeinsel Amrum? Dafür müsste sie ihre Hochzeit mit Ryan verschieben!
Doch auf der Insel gibt es jemanden, der ihr zu der fehlenden Komponente für ihre Lotion verhelfen könnte. Aber wie soll sie ihm sein Geheimnis entlocken? Bei ihren Bemühungen hilft ihr jemand, der sie völlig unerwartet in Verwirrung stürzt…
Autorin
Patricia Koelle ist eine Berliner Autorin mit Leidenschaft fürs Meer – und fürs Schreiben, in dem sie ihr immerwährendes Staunen über das Leben, die Menschen und unseren sagenhaften, unwahrscheinlichen Planeten zum Ausdruck bringt.
Quelle: Fischerverlage
Das muss ich auch haben! Ich mag die Bücher von Patricia Koelle sehr gerne!
Hallo Miri, ja, sind wirklich sehr schön! Welche kennst du schon? Liebe Grüße, Heike