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Seitdem ich vor über dreißig Jahren das Buch „Als die erste Atombombe fiel“ (momentan leider nicht im Buchhandel erhältlich) gelesen habe, bewegt mich diese schwarze Seite des Zweiten Weltkriegs sehr. Nicht nur in Deutschland ist unsagbares Leid über unzählige Menschen geschüttet worden, auch die USA haben mit ihren über Japan abgeworfenen Atombomben großes Unrecht auf sich geladen.
Die unmittelbaren Folgen dieser Angriffe auf Hiroshima am 6. August 2017 und Nagasaki drei Tage später waren verheerend – und sind es teilweise noch immer. Innerhalb kürzester Zeit nach den Abwürfen wurde ein Großteil der Innenstädte vernichtet und die thermische Strahlung entzündete selbst in zehn Kilometern Entfernung noch Feuer. Wie qualvoll die Menschen nach den Angriffen gestorben sind, möchte ich mir gar nicht vorstellen. Wer die Bombenabwürfe überlebt hat, war jedoch noch lange nicht auf der sicheren Seite. Die langfristigen Folgen reichen bis in die Gegenwart. Noch immer leiden Menschen an der Atombombenkrankheit, der Leukämie.
Sadakos Geschichte steht einerseits stellvertretend für alle Erkrankten, andererseits ist sie auch sehr individuell. Denn so, wie das tapfere Mädchen ihrem Schicksal begegnet ist, haben das sicher nicht viele getan. Als die Atombombe über Hiroshima fiel, war Sadako 2 Jahre alt und überlebte. Zehn Jahre später zeigten sich die Langzeitfolgen der teuflischen Strahlung. Aus der begeisterten Läuferin Sadako, Leistungsträgerin der Schule, wurde eine Hülle, die schon nach wenigen Schritten zusammenbrach. Das Mädchen wurde immer schwächer, schaffte immer weniger – aber die Hoffnung gab sie nie auf. Und die Hoffnung auf Genesung schien berechtigt zu sein. Schließlich besagt eine alte Legende, dass demjenigen, der tausend Papierkraniche faltet, die Erfüllung eines Wunsches gewährt wird. Obwohl Papier auch so viele Jahre nach dem Krieg noch ein seltenes Gut war, ging dem Mädchen das Material nicht aus. Jeder unterstützte sie, so gut er konnte – in jeglicher Hinsicht, nicht nur mit Papier – und Sadako faltete, so weit ihre Kräfte es erlaubten. Leider reichten sie nicht, um die benötigten tausend Origamis zu falten. So wurde Sadako zu einem Langzeitopfer wie viele, aber posthum sticht sie aus der Menge heraus.
Von Sadakos tiefer Überzeugung, mit ihren Kranich-Origamis die Krankheit besiegen zu können, inspiriert, haben ihre Mitschüler nach dem Tod ihrer Freundin den Papierkranich-Club gegründet. Sie sammelten Geld, „um ein Ehrenmal für die tapfere Hibakusha“ bauen zu können. Auf der Plakette am Sockel befindet sich dieses Zitat:
„Dies ist unser Schrei, dies ist unser Gebet:
Friede auf Erden.“
Das sind Worte, die man sich momentan dringlicher wünscht als man es lange zuvor getan hat – in einer Zeit eines ganz gefährlichen politischen Säbelrasselns. Die Gefahr des atomaren Machtmissbrauchs war schon lange nicht mehr so groß wie in diesen Zeiten.
Daher ist dieses kleine Büchlein Mahnung und Warnung zugleich. Eine einzige Fehlentscheidung, eine einzige Kurzschlussreaktion verleiht vielleicht einen kurzfristigen kriegerischen und machthaberischen Vorteil, zerstört aber auch jahrzehntelang später noch Leben, Hoffnung, Familie, Zukunft, Talent, Glück und vieles mehr.
Sehr berührt hat mich dieses Buch, das zwar nur sehr schmal im Umfang ist, dafür aber umso mehr Inhalt zu bieten hat.
Beeindruckt hat mich hingegen, wie viel Gutes aus etwas Schlechtem erwachsen kann. So war der Bau des Mahnmals zu Ehren Sadakos zunächst als anerkennende Geste gedacht, hat aber inzwischen weltweite Bekanntheit erlangt, denn „Kinder aus Japan und dem Rest der Welt schicken jedes Jahr Papierkraniche nach Hiroshima, die vor Ort in Glaskästen als Symbol gegenden Einsatz von Atomwaffen ausgestellt werden.“ Eine Geste, die Hoffnung macht!
„Sadako – Ein Wunsch aus tausend Kranichen“ wird vom Verlag für Leser ab 10 Jahren empfohlen. Der Schreibstil ist von der Ausführlichkeit, Wortwahl und Art der Schilderung auch meiner Meinung nach gut für diese Lesergruppe geeignet. Ein schöner Mehrwert sind die eingestreuten Zeichnungen sowie der umfangreiche Anhang. Neben Sadakos Geschichte enthält das Buch noch ein Nachwort der Autorin sowie einen umfangreichen Anhang. Der historische Hintergrund des Atombombenabwurfs auf Hiroshima wird kurz reflektiert, in einer Kurzbiografie über Sadako erfährt man mehr über das Mädchen, ein Glossar erklärt in der Geschichte verwendete japanische Begriffe. Eine Anleitung zum Falten eines Kranich-Origamis regt möglicherweise an, einen selbstgebastelten Papierkranich nach Hiroshima zu schicken.
Ein Link gegen das Vergessen:
Informationen über Hintergründe und Folgen der Atombombenabwürfe über Hiroshima und Nagasaki
Inhalt
Sadako Sasaki ist zwei Jahre alt, als der erste Atombombenangriff der Geschichte ihre Heimatstadt Hiroshima trifft. Sie überlebt den Angriff scheinbar unbeschadet. Doch als sie zehn Jahre später plötzlich Schwächeanfälle bekommt, hat das Leiden schnell einen Namen: Leukämie, die Atombombenkrankheit. Sadako bleibt nur noch eine Hoffnung: Eine japanische Legende besagt, dass demjenigen, der 1.000 Papierkraniche faltet, ein Wunsch erfüllt wird.
Johanna Hohnholts erzählt von Sadakos unerschütterlichem Lebensmut und ihren Kranichen, die weltweit zum Symbol des Friedens wurden.
Autorin
Johanna Hohnhold hat Kulturwissenschaften studiert und zahlreiche Kinder- und Bilderbücher übersetzt. Sie schreibt unter Pseudonym und lebt mit ihrem Mann in Norddeutschland.
Quelle: Aladin Verlag
Eine wundervolle Rezension!
Vielen lieben Dank!