*+* Sina Beerwald: „Kräherwald“ *+*

Tessa Steinwart hat es nicht leicht. Sie hat ihrem Mann nach einigem Hin und Her den Laufpass gegeben und muss nun alleine für den gemeinsamen Sohn Julian sorgen. Zum Glück hat sie einen guten Job als Zeitungsredakteurin, der sie über die Runden kommen lässt. Andererseits geht ihre Arbeit häufig zu Lasten ihres Sohnes, denn der sieht nun wirklich nicht viel von seiner Mama. Die Nachbarin von nebenan kümmert sich dann um den Filius. Ebenfalls ein Nachbar ist Tessas bester Freund Tom. Ihre beste Freundin Helen wohnt nicht ganz so nah, ist aber auch immer zur Stelle, wenn es brennt. Alleine mit ihren Sorgen ist Tessa also glücklicherweise nicht. Als dann durch eine Zufallsbekanntschaft noch die Schmetterlinge in ihrem Bauch wieder zu tanzen beginnen, scheint es endlich wieder für Tessa bergauf zu gehen. Das Glücksgefühl kann sich jedoch nicht wirklich entfalten, denn der Leichenfund, den Tessa am Ufer des Neckars macht, lässt sie immer wieder hart ins wahre Leben zurückfallen.

„Ein junges Mädchen, nackt in ein weißes Bettlaken gehüllt, mit Rosenblättern bedeckt und mit Zeichen eines jahrelangen Martyriums. Niemand kennt sie, niemand vermisst sie.“

Noch während Tessa über dieses Verbrechen grübelt und darüber recherchiert, bemerkt sie zunächst gar nicht, dass sie selbst ins Visier der Person gerät, die die junge Frau auf dem Gewissen hat….
Seltsame Botschaften erreichen sie, ebenso makabre Aufmerksamkeiten, die sie zwar schaudern machen, aber nicht verständlich genug sind, um sie zu begreifen.

Die Autorin hat die Charaktere zunächst so nebulös gezeichnet und schwach ausgearbeitet, dass rein theoretisch jeder der Akteure, deren Anzahl gut überschaubar ist, der Täter sein könnte und man möglicherweise nach und nach jeden von ihnen verdächtigt. Mit der Zeit erhalten die Protagonisten jedoch mehr und mehr Schärfe und die immer deutlicher hervortretenden Zusammenhänge und Hintergründe legen Teil für Teil das Puzzle „Kräherwald“ zusammen.

Der Spannungsbogen mit seinen vielen kleinen Holzwegen ist ganz solide aufgebaut, nur leider hatte ich schon nach wenigen Seiten einen ganz starken Verdacht, wer sowohl hinter dem Schicksal des toten Mädchens steckt, als auch was es mit der emotionalen und aufwühlenden Schnitzeljagd, der Tessa ausgesetzt wird, auf sich hat. Wer beim Lesen ebenfalls diesen richtigen Riecher entwickelt, muss noch bis zum turbulenten Finale warten, um mit einer guten Portion Spannung bedient zu werden. Die Handlung an sich ist meistens nicht sehr temporeich. Es findet viel Privates Platz, das zwar mit dem Handlungs- und Beziehungsgeflecht zu tun hat, aber für einen Thriller durch seine Ausführlichkeit außergewöhnlich viel Raum zugebilligt bekommt.

Mich entsetzte häufig weniger das Verbrechen selbst als das naive, blauäuige Verhalten Tessas im Hinblick auf ihren Sohn. Täter können meist nur ihr krankes Handeln ausleben, wenn man ihnen Tür und Tor dazu öffnet. Vielleicht konnte der Thriller mich neben der persönlichen Vorhersehbarkeit auch deshalb nicht packen, weil ich zu keinem der Protagonisten Sympathien aufbauen konnte. Alle sind in ihren Eigenschaften sehr überzeichnet, sie wirken ebenso wie die Handlung ziemlich überkonstruiert. Wer das mag, kommt hier sicher auf seine Kosten, mir kommt das eher nicht so entgegen.

Toll fand ich hingegen den Aufbau des Erzählstils. Sina Beerwald springt zwischen den aktuellen Geschehnissen und dem Schicksal des toten Mädchens hin und her. Somit ist der Leser bei den aktuellen Ermittlungen und Entwicklungen immer mittendrin, versteht aber auch, was dem Mädchen widerfahren ist, welche kranken Beweggründe es dafür gab und vor allem auch, warum in jüngster Zeit Tessa im Fokus dieser gestörten Person steht.
Ebenfalls gut gefallen hat mir das Stuttgarter Flair, das durch die Handlungen an verschiedenen lokalen Schauplätze gut zur Geltung kommt und immer wieder hervorblitzt.

Inhalt
Es ist einer der heißesten Tage des Jahres, als die Stuttgarter Journalistin Tessa Steinwart eine Leiche am Ufer des Neckars findet. Ein junges Mädchen, nackt in ein weißes Bettlaken gehüllt, mit Rosenblättern bedeckt und mit Zeichen eines jahrelangen Martyriums. Niemand kennt sie, niemand vermisst sie. Kurz darauf geraten Tessa und ihr kleiner Sohn ins Visier des Mörders. Er scheint alles über sie zu wissen – und es ist nur eine Frage der Zeit, bis er wieder zuschlagen wird …

Autorin
Sina Beerwald, 1977 in Stuttgart geboren, wanderte vor acht Jahren mit zwei Koffern und vielen kriminellen Ideen im Gepäck auf die Insel Sylt aus und lebt dort seither als freie Autorin. Seitdem sind neun erfolgreiche Romane und der Erlebnisführer »111 Orte auf Sylt, die man gesehen haben muss« erschienen. Sie ist Preisträgerin des NordMordAward und des Samiel Award.
Quelle: emons Verlag

 

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Über irveliest

Wie ihr euch sicher schon denken könnt lese ich sehr gerne, am liebsten Krimis und Thriller, aber auch niveauvolle Romane, Kinder- und Jugendbücher. Meine Lieblingsbuchhandlungen sind unsere kleine Buchhandlung am Ort und zum ordentlichen Stöbern Thalia in der Nachbarstadt. Online stöbere ich am liebsten bei lovelybooks und auch bei Amazon nach Büchern...
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