*+* Aldridge/ Sosinski: „Ein Fleck im Meer“ *+*

Johnny geht mitten in der Nacht über Bord der „Anna Mary“ und niemand bemerkt es.
Anthony und Mike, die anderen beiden Crew-Mitglieder, schlafen auf dem Fischerboot, um Kraft für die anstrengenden Stunden des Hummerfangs – dem Einholen und Leeren zahlreicher Körbe – zu schöpfen. Johnny hält Wache und wäre er nicht so ein lieber, fürsorglicher Mensch, hätte sich das Unglück vermutlich nicht ereignet. Eigentlich sollte er seine Teamkollegen zur Ablösung wecken, aber er lässt sie guten Herzens weiterschlafen und erledigt alleine die letzten Vorbereitungen. Dabei schleicht sich eine gewisse Leichtsinnigkeit ein, die Johnny das sichere Bootsdeck unter den Füßen verlieren lässt.

Nun treibt er im offenen Meer. Es ist dunkel, niemand weiß von seiner misslichen Lage. Bis zum Sonnenaufgang ist es noch weit. Und somit fühlt sich die Wahrscheinlichkeit, dieses Unglück zu überleben, zaghaft gering an. Aber klein beigeben kommt für Johnny nicht in Frage. Von Anfang an war ich beeindruckt von dem kühlen Kopf, den der Mann die ganze Zeit über behält. Schwermütige Gedanken schiebt er konsequent beiseite. Todesangst ist nichts für ihn, im Gegenteil. Johnny bleibt ruhig und besonnen, sondiert seine Lage und Möglichkeiten, prüft Wahrscheinlichkeiten, wägt diverse Für und Wider ab bei dem, was er am besten tun könnte und mit welchem Verhalten er seiner Rettung die größtmögliche Chance geben kann.

Von Anfang an war ich gefesselt und obwohl es bekannt ist, wie dieses Unglück auf hoher See ausging, habe ich mitgelitten, gehofft, gebangt. Das liegt zum einen daran, dass Johnny als sehr netter, hilfsbereiter, gutherziger Mensch beschrieben wird. Zum anderen trägt auch der klug gewählte Erzählstil dieses Buches bei. Ohne jede Spur von Sensationslust wird sachlich und subjektiv zugleich das Geschehen vom Zeitpunkt des Überbordgehens an geschildert. Hier ist kein Platz für reißerische Formulierungen und Sensationsgier, alles bewegt sich auf dem Boden der Tatsachen und Fakten. Solche Berichterstattungen gefallen mir sehr gut. Sie befassen sich mit den wahren Gefühlen und erreichen mich tief.

Nicht nur Johnnys Perspektive wird intensiv beleuchtet. Es werden ebenfalls die Stimmungen und Handlungen an anderen Stellen eingefangen. So erfährt der Leser, wie Anthony und Mike mit der Nachricht umgehen, dass ihr Teamkollege seit Stunden im Meer treibt. Ausführliche Einblicke in die Historie, Arbeitsweise und die vielfältigen technischen Möglichkeiten der Küstenwache sind sehr passend in die Schilderungen eingebunden. Ebenfalls erfährt man von der Geschichte des Küstenstädtchen Montauk, in dem Johnny lebt, und den Reaktionen der Bewohner. Hier herrscht eine großartige, sehr beeindruckende Gemeinschaft. Zusammenhalt, Helfen und ein selbstverständliches gutes Miteinander sind keine Lippenbekenntnisse, hier wird es auch umgesetzt. Wie diese „große Familie der Montauker“ sich an der Suche Johnnys beteiligt, ließ mir vor Ehrfurcht eine kleine Gänsehaut über den Rücken rieseln und einige Tränen fließen. An diesem Fleckchen Erde funktioniert das Miteinander ohne große Worte und eine riesige Welle der Hilfsbereitschaft kommt ins Rollen.

Durch die Rückblicke in die früheren Stationen der beiden Freunde Johnny und Anthony, die sich schon von Kindesbeinen kennen und die die fast lebenslange Liebe zur Fischerei verbindet, erhält das Buch eine interessante biografische Untermalung, mit der die aktuellen Geschehnisse ansprechend und informativ ergänzt werden. So erhält man ein umfassendes Bild der Menschen, die hinter diesem Unglück stehen, und erlebt das Gelesene recht intensiv.

Unterstützt werden das lebendige Gefühl und die Bilder, die sich vor dem inneren Auge abbilden, auch durch die plakativen Schilderungen der großartigen Natur. Ich war so sehr im Buch gefangen, dass mir der Fischgeruch der salzigen Luft in die Nase wehte. Ich hörte das Rattern des Kutters, sah die Wellen, die er nach sich zog, spürte aber auch die beiseite geschobene Verzweiflung, die Entschlossenheit der Rettungskräfte und den unbedingten Überlebenswillen Johnnys.

„Ein Fleck im Meer“ ist ein beeindruckendes, mitreißendes, ehrliches Leseerlebnis, das ohne jegliche Sensationslust auskommt.

Das Buch klingt gut und du möchtest es gerne lesen?
Kaufen kannst du es bei deinem Buchhändler vor Ort oder online bei Genialokal, der Vereinigung inhabergeführter Buchhandlungen…

Inhalt
Was ist der einzelne Mensch in den Weiten des Ozeans? Nicht mehr als ein unbedeutender winziger Fleck? Wird Anthony mich retten? Und noch viel wichtiger: Wie lange halte ich durch? Diese Fragen stellt sich der 45-jährige John Aldridge aus Montauk. Mitten in der Nacht, vierzig Kilometer vor der Küste, ist der erfahrene Hummerfischer bei rauer See über Bord gegangen – unbemerkt von seinem Freund Anthony Sosinski, mit dem er gemeinsam das kleine Fischerboot Anna Mary betreibt. Als der aufwacht und Aldriges Abwesenheit bemerkt, ist es fast zu spät. Mitten im Atlantischen Ozean kämpft Aldrige ohne Schwimmweste ums Überleben, während sein Freund, die Küstenwache und sämtliche Fischer im Nordosten der USA fieberhaft versuchen, ihn zu finden und zu retten, bevor die letzte Welle über ihm zusammenbricht. Eine dramatische Geschichte über Willensstärke und Widerstandsfähigkeit, die auf beeindruckende Art zeigt, wie es einem Menschen allen Widrigkeiten zum Trotz gelingen kann, zu überleben. Die bewegende Geschichte einer Freundschaft zwischen zwei Männern, die alles füreinander tun würden.

Autoren
John Aldridge und Anthony Sosinski sind seit der Grundschule beste Freunde. Nach vielen Jahren, in denen sie als Fischer in Montauk, New York, gearbeitet hatten, erfüllten sie sich ihren Lebenstraum und kauften zusammen den Hummerkutter Anna Mary, der Mittelpunkt ihrer dramatischen Geschichte ist. Die beiden fahren immer noch täglich zum Fischen aufs Meer.
Quelle: Hoffmann und Campe

Merken

Merken

Über irveliest

Wie ihr euch sicher schon denken könnt lese ich sehr gerne, am liebsten Krimis und Thriller, aber auch niveauvolle Romane, Kinder- und Jugendbücher. Meine Lieblingsbuchhandlungen sind unsere kleine Buchhandlung am Ort und zum ordentlichen Stöbern Thalia in der Nachbarstadt. Online stöbere ich am liebsten bei lovelybooks und auch bei Amazon nach Büchern...
Dieser Beitrag wurde unter Highlights, Romane, Sachbuch, Uncategorized abgelegt und mit , , , , , , , , , , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..