Es gelingt selten einem Roman, mich ausnahmslos von der ersten bis zur letzten Seite zu begeistern. Patricia Koelle hat es mit „Wenn die Wellen leuchten“ geschafft – mal wieder!
Rhea ist schon von Kleinauf tief mit der Nordsee und „ihrer“ Insel, Amrum, verbunden. Die Natur ist ihr Freund, das Meer, die Tiere, aber nur wenige der Menschen. Rhea ist ein Außenseiter, aber es macht ihr nichts aus, dass sie von den anderen Kindern meist schief angeguckt oder gar gehänselt wird. Sie hat alles, was sie braucht, ruht tief in sich selbst. Kraft geben ihr dabei die wenigen Menschen, die ihr wirklich etwas bedeuten, und die Natur, als ein Bestandteil derer ich diese Hauptperson des Romans oft empfand. Wenn sie mit den Krabben spielt, oder sie den Strand erkundet, wirkt sie mehr als glücklich. Aber auch in ihrem Zuhause herrscht der Seelenfrieden, den sich so mancher wünscht. Weise, ihr wohlgesonnene, Menschen machen Rheas Leben zu einem Geschenk. Als sie größer wird, bleibt sie gemessen an ihren Schulkameraden von früher weiterhin ein Sonderling. Sie tut, was ihr gefällt, folgt ihrem Bauchgefühl auf dem Weg des Lebens und dem Ruf des Herzens auf den Pfaden der Liebe. Dabei handelt und empfindet Rhea alles andere als gewöhnlich und immer wieder spürt man den starken Charakter der jungen Frau, aber auch die Warmherzigkeit und Leidenschaft, die all ihr Tun begründen und antreiben.
Ich mag Rhea sehr. Ihre Schlichtheit, ihre Klarheit und Schnörkellosigkeit. Sie hat Rückgrat, ist direkt, pragmatisch, ehrlich, nie unfreundlich, hat nicht nur sich selbst im Sinn, sondern empfindet ebenso für ihre Mitmenschen und versucht, auch deren Sein zu bereichern. Und vor allem ist sie neugierig. Auf das Leben, die unterschiedlichen Menschen, die ihr Leben kreuzen, auf die Zukunft, für die sie sich nie den einfachsten, aber immer den Weg wählt, den sie in sich selbst erspürt. Zudem umweht den Roman ein geheimnisvoller Hauch von Magie – oder ist es pure Wissenschaft, mit der sich eine uralte Legende des Amrumer Geschichtentums erklären lässt? Auch hier steckt Rhea ihre hübsche kleine Nase hinein und nimmt den Leser mit auf einen ergänzenden mystischen Handlungsstrang, der die Neugierde auf so manchen Leser übertragen wird….
Die Haupterzählung handelt von Rhea, die Autorin flicht aber weitere Stränge ein. Der Leser wird mit in die Vergangenheit von Rheas Mutter Filine genommen, wo man diese und ihren Zwillingsbruder anhand mehrerer Rückblicke kennen- und verstehen lernt, die gewissermaßen mit der schon erwähnten Legende verknüpft sind, und einen Grundstein für die Fortsetzung legen.
Der Erzählstil ist flüssig, freundlich, lebendig, und Patricia Koelle hat mich einmal mehr mit ihrer kreativen Wort-Jongleurskunst beeindruckt und begeistert. Zudem enthält der Roman innerhalb der einzelnen Kapitel und Handlungsstränge viele kleine Cliffhanger, die mich immer wieder so neugierig gemacht haben, dass ich am liebsten die Entwicklung aller Handlungen gleichzeitig weiterverfolgt hätte…
Vieles davon klärt sich schon im ersten Teil der Nordsee-Trilogie auf, einiges bleibt aber offen, sodass man gespannt sein kann, mit welchen Hintergründen, Erklärungen, aber auch Entwicklungen der Charaktere es weitergehen wird, ganz zu schweigen von der sicherlich genauso interessanten und liebevoll inszenierten Handlung in den Folgebänden.
Überaus sympathisch sind die Protagonisten mit ihren Ecken und Kanten, Interessen, Hoffnungen, Schicksalen und Perspektiven gelungen. Eines ist ihnen – von einigen kleinen Nebenrollen abgesehen – allen gemeinsam: Die liebevolle Art, mit den Menschen und dem Leben umzugehen. Auch wenn mal nicht so schöne Entscheidungen getroffen werden müssen, hier geschieht alles respektvoll. Das ist etwas, wovon sich mancherleuts eine Scheibe abschneiden könnte.
Ein Schmankerl gibt es für diejenigen, die schon die Ostsee-Trilogie („Das Meer in deinem Namen“, Der Horizont in deinen Augen“, „Das Licht in deiner Stimme“) oder „Die eine große Geschichte“ der Autorin kennt, denn diese Leser werden vielleicht ebenso wie ich von dem Wiedersehen mit altbekannten, protagonistischen Freunden entzückt sein.
Neben dem zum Träumen verlockenden Schauplatz Amrum und einem bunten Strauß an gut ausgearbeiteten, liebenswerten Charakteren gefällt mir die Erzählmelodie sehr gut. Wunderschön leicht und zart ist sie, gleich einem Wind, der sanft über Sand und Meer streicht, und dort ein geheimnisvolles Wellenmuster zaubert.
Inhalt
Der Beginn der großen Nordsee-Trilogie von Spiegel-Bestseller-Autorin Patricia Koelle! Die Insel im Herzen Rhea lebt auf der Nordseeinsel Amrum. Ihren Vater hat sie nie kennengelernt. Nicht einmal ihre Mutter kennt seinen Namen. Rhea ist ein Kind der Insel und kann sich nicht vorstellen, woanders zu leben. Doch da taucht ein geheimnisvoller Brief ihres Vaters auf, darin eine Beschreibung, woran man seine große Liebe erkennen kann. Rhea macht sich auf in die Ferne, um ihren Vater zu suchen – und ihre große Liebe. Aber schon bald sehnt sie sich nach dem Geruch von Tang, Salz und Leben in der lichterfüllten Weite des Watts zurück. Wird sie dennoch etwas über ihre Herkunft erfahren? Und ihre Liebe finden?
Autorin
Patricia Koelle ist eine Berliner Autorin mit Leidenschaft fürs Meer – und fürs Schreiben, in dem sie ihr immerwährendes Staunen über das Leben, die Menschen und unseren sagenhaften, unwahrscheinlichen Planeten zum Ausdruck bringt. Bei FISCHER Taschenbuch lieferbar ist die Ostseetrilogie mit den Bänden ›Das Meer in deinem Namen‹, ›Das Licht in deiner Stimme‹ und ›Der Horizont in deinen Augen‹, außerdem ›Die eine, große Geschichte‹.
Quelle: Fischerverlage