Im Prolog lernen wir Emma kennen, ein kleines Mädchen, das mit seinem Elternhaus leider wenig Glück hat.
Ihre Ängste werden nicht ernst genommen, und so schafft sie sich einen imaginären Freund, der immer für sie da ist, ihr beisteht und sie schützt. Einmal jedoch, da wurde dieser Freund jedoch lebendig – oder dachte Emma das nur in ihrer grenzenlosen Kreativität und Phantasie? Ich glaubte ihrer Wahrnehmung. Schließlich hatte sie ihren unsichtbaren Freund ersonnen, um sich an ihm zu wärmen und zu stützen und nicht, um auch von ihm Schaden zugefügt zu bekommen. Aber ich bin nur Laie – und war sehr gespannt, ob und wie sich dieses Erlebnis aus der Kindheit erklären lassen würde.
Es hat auf jeden Fall Spuren bei Emma hinterlassen. Das kleine Mädchen von damals wächst heran, und die junge Frau wird nach ihrem Studium eine anerkannte Psychiaterin. Nach einer Fachtagung, bei der sie selbst auch referiert, bleibt sie entgegen ihrer sonstigen Gewohnheiten über Nacht im Hotel – was sie später sehr bereute. Denn hier erlebt sie eine erneute, eine erwachsene Version ihres schlimmen Erlebnisses aus der Kindheit. Sie ist fest davon überzeugt, dem „Friseur“ zum Opfer gefallen zu sein, einem Vergewaltiger, der den Frauen die Harre abrasiert und sie anschließend ermordet. Sie jedoch soll er am Leben gelassen haben? Auch was Emma sonst erzählt, scheint völlig aus der Luft gegriffen zu sein, schließlich lässt sich für kein einzelnes der berichteten Details ein Beweis erbringen. Die allgemeine Meinung lautet, dass Emma – so wie damals – in psychiatrische Behandlung gehört. Als ob das nicht alles schlimm genug wäre, bringt sie etwas später dieses Paket, der heimliche Hauptdarsteller des Thrillers, völlig aus der Fassung. Denn es ist nicht für sie, sondern für einen ihr unbekannten Nachbarn bestimmt – und sofort schrillen ihre inneren Alarmglocken. Meine auch.
Ich konnte ihre Angst, ihre Zerrissenheit sehr gut nachvollziehen.
Wie würde man, bzw. frau sich fühlen, nachdem man solche Szenen wie Emma erlebt hat, oder erlebt zu haben glaubt – und alle tun das als Einbildung ab, schicken sie zu einem Fachmann, setzen einen Haken drunter und die Sache ist für sie, die Außenstehenden, erledigt. Für Emma ist es längst nicht so. Sie muss sich nicht nur mit diesem Erlebnis auseinandersetzen, sie muss zusätzlich damit fertig werden, dass sie alle für einen Lügnerin oder eine irre, verrückte Person halten. Der körperliche Schmerz ist die eine Sache, die seelische Verletzung eine ganz andere, viel größere. Emmas Innerstes hat der Autor sehr glaubhaft und überzeugend dargestellt. Mir rieselte immer wieder eine Gänsehaut über den Rücken, weil ich diese furchtbaren Gefühle, die schlimmen Zwiespälte, die innere Zerrissenheit Emmas fast greifen konnte und sehr mit ihr fühlte.
Aber dieses sich Hineinschreiben in die psychisch geschundene Frau ist nicht alles, was Sebastian Fitzek hier zu bieten hat.
Die anderen Charaktere hat er wieder wunderbar nebulös kreiert, undurchsichtig, viele Wenden in das Geschehen eingebaut. An einigen Stellen lässt sich die grausame Wahrheit erahnen, sodass einige der Überraschungen eher klein als groß ausfallen. Aber das Gesamtkonstrukt ist wirklich gut gelungen. Die Wahl der Protagonisten, die kluge, manchmal gar gewitzte Art, das Verbrechen aufzuklären. Die schlauen bösen Buben durch eine noch größere Schlauheit knallhart zu überführen. Die kleinen Schocker zwischendurch, wie sie sich aufklären und zu welch eigener kleinen Geschichte sie sich manchmal auswachsen – perfekt eingepasst in das große Ganze. Dazu die kurzen, knackigen Kapitel, die flüssige, sprachlich gut formulierte Erzählweise.
Das alles hat mir einige Stunden spannender und kurzweiliger, intensiver fitzek´scher Leseunterhaltung beschert!
Weitere Rezensionen findet ihr bei
– Katjas Blog „Ruhrpottkatjes“
– Sabine im „Niliversum“
Inhalt
Seit die junge Psychiaterin Emma Stein in einem Hotelzimmer vergewaltigt wurde, verlässt sie das Haus nicht mehr. Sie war das dritte Opfer eines Psychopathen, den die Presse den »Friseur« nennt – weil er den misshandelten Frauen die Haare vom Kopf schert, bevor er sie ermordet.
Emma, die als Einzige mit dem Leben davonkam, hat große Angst, der »Friseur« könnte sie erneut heimsuchen, um seine grauenhafte Tat zu vollenden. In ihrer Paranoia glaubt sie in jedem Mann ihren Peiniger wiederzuerkennen, dabei hat sie den Täter nie zu Gesicht bekommen. Nur in ihrem kleinen Haus am Rande des Berliner Grunewalds fühlt sie sich noch sicher – bis der Postbote sie eines Tages bittet, ein Paket für ihren Nachbarn anzunehmen.
Einen Mann, dessen Namen sie nicht kennt und den sie noch nie gesehen hat, obwohl sie schon seit Jahren in ihrer Straße lebt …
Autor
Sebastian Fitzek, geboren 1971, ist Deutschlands erfolgreichster Autor von Psychothrillern. Seit seinem Debüt „Die Therapie“(2006) ist er mit allen Romanen ganz oben auf den Bestsellerlisten zu finden. Mittlerweile werden seine Bücher in vierundzwanzig Sprachen übersetzt und sind Vorlage für internationale Kinoverfilmungen und Theateradaptionen. Als erster deutscher Autor wurde Sebastian Fitzek mit dem Europäischen Preis für Kriminalliteratur ausgezeichnet. Er lebt mit seiner Familie in Berlin.
Quelle: Droemer Knaur Verlag
Lieben Dank fürs Erwähnen :*
Gern geschehen, Sabine :-)
Danke für das Verlinken, werde mich auch mal bei dir umsehen.
lg
Katja
Gern geschehen – und über lieben Blogbesuch freue ich mich immer ;-) LG zurück