„Das ist das Problem, wenn man Dinge weiß: Man kann sie nicht mehr aus dem Bewusstsein vertreiben. Hat man sie einmal angeschaut oder sie laut ausgesprochen, werden sie Wirklichkeit.“
Die Legende des Schlafenden Prinzen beruht auf der Wahrheit, nicht auf Fiktion. Jedoch liegt diese Wahrheit so lange zurück, dass kaum jemand mehr ihren wirklichen Ursprung kennt und die unbequeme Wahrheit längst einer kreativen Phantasie Platz gemacht hat. Aber damit ist nun Schluss! Der Fluch des Schlafenden Prinzes ist gebrochen und er kehrt zurück, und wie. Er will sein Reich zurück und unterdückt es mit einem atemberaubenden Tempo. Das Volk ist zwar verängstigt, aber dennoch nicht bereit, sich kampflos zu ergeben. Eine von ihnen ist die Herbalistin Errin, die neben dem drohenden Krieg noch ein ganz anderes Problem hat.
Ihr Vater ist tot, der Bruder verschwunden und wie vom Erdboden verschluckt. Erin lebt mit ihrer Mutter in einer kleinen verkommenen Hütte im Wald und hält sich mit der Herstellung und dem Verkauf legaler und illegaler Tränke über Wasser – ganz großartig gelungen sind die Szenen der Kräuterfrau bei ihrem Wirken! Ihr Hauptkunde ist der geheimnisvolle Silas, zu dem sie sich merkwürdig hingezogen fühlt. Auch scheint er tief für sie zu Empfinden, kann oder will dem aber nicht nachgeben.
Ist er der Mann aus Errins Träumen? Sie träumt sehr häufig realistisch anmutend, erkennt aber nicht, in wessen Gegenwart sie sich befindet. Obwohl die Träume immer intensiver und klarer werden, begreift die junge Herbalistin erst, was es damit auf sich hat, als es fast schon zu spät ist, um dem Schicksal zu entfliehen.
Jedoch quält Errin noch ein weitaus größeres und viel greifbareres Problem: Ihre Mutter verwandelt sich in Vollmondnächten, zudem ändert sich ihr Charakter auf äußerst gefährliche Weise. Die Tochter ist bestrebt, dieses Ungeheuer zu verbergen, sodass sie sich nicht im Dorf rechtfertigen muss. Sie hat Angst, dass man ihre Mutter von ihr trennt und zur Behandlung an einem ungewissen Ort unterbringt. Errin setzt alles daran, selbst eine heilende Medizin zu finden. Als ihr Dorf jedoch zu einem Heeresstützpunkt umfunktioniert wird und deshalb zügig evakuiert werden muss, nehmen die Dinge einen ganz anderen Lauf als die Herbalistin gehofft hatte….
Der zweite Teil der Trilogie um den Schlafenden Prinzen wird in der Ich-Form aus Errins Sicht erzählt. An den etwas sperrigen Schreibstil musste ich mich gewöhnen. Die kleineren und größeren Zeitsprünge minderten ebenfalls einige Male den Erzählfluss. Auch die stellenweise geballten Einschübe zu dem Legentum, das den Büchern zugrunde liegt, ließen das Lesen etwas stocken. Andererseits wurden so meine Lücken sehr gut geschlossen, schließlich kenne ich den ersten Teil der Trilogie nicht. Gut gelungen sind die plakativen und lebhaften Beschreibungen nicht nur dessen, was Errin erlebt, sondern auch, wie sich fühlt, und welche Stimmungen außerhalb des direkten Wirkungskreises der jungen Frau herrschen. Die Geschichte hat einen einnehmenden Stil und las sich lebendig und auch flüssig, nachdem ich mich an den etwas ungewöhnlichen Stil gewöhnt hatte.
Errin mochte ich sehr. Ihr Vater tot, der Bruder verschwunden, die Mutter mysteriös erkrankt – und die junge Frau steckt nicht auf, stellt sich ihrem Schicksal und ihrer Verantwortung auf kluge und unerschrockene Weise, gibt nie klein bei. Wie wünschte ich mir, dass ihr wenigstens in der Liebe das Glück hold sei. Wie unwahrscheinlich die Erfüllung dieses Wunsches war, erschloss sich mir jedoch mit zunehmendem Fortschreiten des Buches. Denn Silas war nicht nur ein einfacher Kunde. Zunächst geheimnisumwoben, nebulös und mysteriös geschildert, führt die Autorin den Leser gekonnt in die Irre und löst schließlich auf, welchen Platz in der Geschichte der junge Mann einnimmt. Weitere Charaktere durchziehen den Roman und nehmen kleinere oder größere Rollen ein. Nicht jeder ist das, was er vorzugeben scheint. Die einen sind plump, gierig und leicht auszurechnen, die anderen raffiniert und schwerer zu durchschauen.
Wusste ich zunächst nicht wirklich, wohin mich der rote Faden des Buches mich führen würde, fokussierte sich das Geschehen zunehmend und ich verfolgte es immer gebannter. Schlug mich immer mehr auf die Seite Errins und Silas´ und hoffte sehr, dass sie stark, mächtig und klug genug sein würden, um dem Schlafenden Prinzen Einhalt gebieten zu können, um das Volk vor der grausamen Unterdrückung des dunklen Herrschers zu bewahren. Der Weg, den sie gehen, ist gepflastert mit Wenden, Überraschungen und Hilfen von unerwarteten Stellen.
Der zweite Teil der Trilogie ist zwar in sich geschlossen, aber dennoch bleibt das Ende offen, welches sich hoffentlich im finalen Band abschließend entwicklen wird.
Inhalt
Das Land ist in Aufruhr. Die Königin hat eine alte Legende entfesselt und den gefährlichen Schlafenden Prinzen nach vielen Jahrhunderten wieder zum Leben erweckt. Nun bringt er Krieg und Zerstörung zu den Menschen von Tregellian. Die junge Apothekerstochter Errin versucht verzweifelt, sich in diesen gefährlichen Zeiten über Wasser zu halten. Doch seit ihr Bruder Lief verschwunden ist, muss sie sich alleine um ihre kranke Mutter kümmern. Über die Runden kommt sie nur, weil sie verbotene Kräutertränke braut, die sie heimlich verkauft.
Als Soldaten sie und ihre Mutter aus ihrem Dorf vertreiben, gibt es nur einen, an den sich Errin wenden kann: den mysteriösen Silas. Ein junger Mann, der tödliche Gifte bei ihr kauft, aber nie verrät, wozu er sie verwendet. Silas verspricht, Errin zu helfen. Doch als ihr vermeintlicher Retter spurlos verschwindet, muss Errin eine Entscheidung treffen, die das Schicksal des Reiches verändern wird …
Der Roman wurde von A.M. Grünewald ins Deutsche übersetzt.
Autorin
Melinda Salisbury lebt im Süden Englands am Meer. Als Kind war sie davon überzeugt, dass das Buch Matilda von Roald Dahl ihre Biografie war. Zu diesem Irrtum maßgeblich beigetragen hat ihr Großvater, der Melinda in seiner Zerstreutheit oft „Matilda“ nannte. Zu ihrem Bedauern hat sie selbst nie telekinetische Fähigkeiten entwickelt. Melinda liebt es zu reisen und Abenteuer zu erleben. Außerdem mag sie mittelalterliche Burgen, nicht-mittelalterliche Aquarien, Richard III. und alles, was aus Skandinavien kommt. The Sin Eater’s Daughter ist ihr erster Roman.
Quelle: Ars Edition