Als Patricia durch den Wald streift, um einen verletzten Vogel zu retten, stellt sie fest, dass sie mit ihm sprechen kann. Sie lässt sich von ihm zum „Baum der Vögel“ leiten. Dort erfährt Patricia im zarten Alter von sechs Jahren, dass sie eine Hexe ist.
Laurence ist ein Technikfreak und von Kindesbeinen an ein begnadeter Tüftler. Als er unverhofft auf eine Gruppe von Wissenschaftlern stößt, deren Teilnehmer eine ebensolche kleine Zeitmaschine erschaffen haben wie er selbst – eine Uhr, mit der man zwei Sekunden in die Zukunft springen kann – ahnt man es bereits. Auch Laurence scheint ein Auserwählter zu sein, aber in einem ganz anderen Bereich.
Wie es so häufig mit besonderen Menschen ist, so passiert es auch hier. Sowohl Patricia als auch Laurence sind im Kindesalter große Außenseiter und mit der Zeit ergibt es sich, dass die beiden Freunde werden, sich mit dem Älterwerden jedoch voneinander entfernen und sich schließlich aus den Augen verlieren. Nach einem Zeitsprung in der Geschichte treffen sich Patricia und Laurence aber zufällig wieder – und ich hatte das Gefühl, dass in der übergangenen Zeit die Welt auf den Kopf gestellt wurde. Ich wusste nicht mehr, wo oben und unten ist, und habe mich nur langsam eingewöhnen können – die Zu- und Umstände, die Entwicklung der alten Charaktere und die Einarbeitung neuer Figuren nötigten mir etwas Geduld ab. Vor allem brauchte ich aber ein wenig Zeit, um den roten Faden wiederzufinden. Aber schließlich war klar, worauf der Roman abzielt, und die Frage, um die sich alles dreht, ist sehr reizvoll und facettenreich, auch um darüber zu sinnieren.
„Langeweile ist das Narbengewebe des Geistes.“
Abwechslungsreich und interessant ist auch diese Geschichte. Durch die Zeitsprünge, die Charlie Jane Anders in ihren Roman einbaut, ist sie sich der Aufmerksamkeit ihrer Leser gewiss. Man bekommt ständig neue Impulse, sei es durch neue Handlungsträger, oder auch durch die Situationen, in die sie geraten. Dabei versäumt die Autorin es aber nicht, Rückblicke in die übersprungenen Zeiträume zu gewähren. Beispielsweise erzählen sich Patricia und Laurence, nachdem sie sich wiedergefunden haben, was sie in der Zwischenzeit gemacht und erlebt haben. So bleibt der Leser im Bilde, wenn auch nicht immer chronologisch.
Stilmäßig ist die Autorin sehr wandlungsfähig. Die Sprache, die sie verwendet, ist auf das Alter ihrer Hauptfiguren abgestimmt. Zunächst setzt Charlie Jane Anders die kindliche Sichtweise und Gefühle sehr stringent um, später reift dann auch der Stil mit dem Heranwachsen Laurences und Patricias heran. Und so verschieden wie die beiden sind, so unterschiedliche Phasen des Schreibens finden sich. Wir erleben chaotische, wirre Schilderungen, die mich immer wieder an die Zustände in einem verrückten Forscherlabor denken ließen, was zu Laurence passt. Es finden sich aber auch Passagen voller Magie, Poesie und wohlklingenden Worten, was eher Patricia und ihrem zauberhaften Wesen entspricht.
„Es ist immer zu früh, bevor es zu spät ist.“
Als die beiden Freunde aus alten Tagen wieder zusammenfinden, droht die Welt im Chaos zu versinken. Beide versuchen, sie zu retten – unterschiedlichere Wege hätte die Autorin dafür kaum wählen können. Was hilft besser gegen den drohenden Kollaps? Patricias Welt der Magie oder Laurences Wissenschaft und Forschung – wobei man bedenken muss, dass hüben wie drüben jede Medaille zwei Seiten hat. Zudem stellt sich die Frage, wie weit man gehen darf. Rechtfertigt ein Ziel – und sei es von noch so großer Tragweite – die Ausschöpfung aller Möglichkeiten? Oder braucht es eine Strategie mit Augenmaß?
Die Autorin baut in ihre rasante Erzählung eine zweite Ebene ein. Man kann oft zwischen den Zeilen Botschaften und Denkanstöße entdecken. Nicht alles, was sie mitteilen möchte, liest sich auf den ersten Blick. Dabei hätte das Thema, das auch in der wirklichen Welt eine gewisse Brisanz aufweist, eigentlich mehr Klarheit verdient.
„Was ist eigentlich los?“, fragte Serafina. „Irgendwie habe ich das Gefühl, der ganze Abend hatte irgendeinen Subtext der mir entgangen ist.“
Aber das Buch ist eben etwas besonderes. Charlie Jane Anders hat die Grundzutaten ihrer Geschichte (Natur, Umwelt, Freundschaft und Liebe, …) mit einer vielseitigen Mischung gewürzt. So entdeckt der Leser Magie, Wissenschaft, Fantasy, skurrile Absurditäten, Dystopie sowie eine verquere Lovestory auf und zwischen den Seiten des Romans.
Inhalt
›Alle Vögel unter dem Himmel‹ von Charlie Jane Anders ist vieles: ein magischer Science-Fiction-Roman, eine unvergessliche Liebesgeschichte zwischen einer Hexe und einem Nerd – und eine feinsinnige Bestandsaufnahme des modernen Lebens.
Patricia Delfine merkt früh, dass sie eine Hexe ist. Schließlich kann sie mit den Vögeln sprechen – oder konnte es früher zumindest einmal (an jenem warmen Sommertag). Laurence Armstead ist ein Nerd: Schon als Highschool-Schüler erfindet er in seinem Kinderzimmer eine Zeitmaschine, die es ihm erlaubt, zwei Sekunden in die Zukunft zu reisen. Obwohl sie unterschiedlicher nicht sein könnten, werden sie schnell Freunde.
Gegen Ende der Schulzeit verlieren sie sich aus den Augen, nur um sich einige Jahre später in San Francisco wiederzutreffen: Doch der Zeitpunkt ist denkbar ungünstig: Die Welt wird gerade von einer ökologischen Katastrophe heimgesucht: Ganze Regionen versinken im Meer, Flüchtlingsströme durchziehen die Welt. Wissenschaftler wie Hexen suchen nach einem Ausweg, können sich jedoch nicht einigen. Laurence und Patricia finden sich auf unterschiedlichen Seiten der Auseinandersetzung wieder und müssen sich fragen: Wem können wir trauen, wenn die Welt aus den Fugen gerät, dem Verstand oder dem Gefühl?
»Was für ein großartiges Buch! Eine wunderbare Synthese aus Magie und Technik, Freude und Leid, Romantik und Weisheit. Ein absolutes Muss.« Lev Grossman
Für Leser von Michael Chabon, Jonathan Lethem und Armistead Maupin
Übersetzt wurde der Roman aus dem Amerikanischen ins Deutsche von Sophie Zeitz.
Autorin
Charlie Jane Anders ist eine US-amerikanische Bloggerin, Autorin und Redakteurin für das Internet-Magazin io9. Für ihre Kurzgeschichte ›Six Months, Three Days‹ wurde sie mit dem Hugo-Award ausgezeichnet. ›Alle Vögel unter dem Himmel‹ ist ihr erster Roman.
Quelle: Fischer Verlage