Die diesjährige Leipziger Buchmesse ist längst vorbei, aber neulich konnte ich wieder intensiv in den Erinnerungen schwelgen. Ich habe mein Gespräch mit Gabriella Engelmann am Stand der Droemer Knaur Verlagsgruppe Revue passieren lassen und es zu diesem Artikel aufbereitet.
Zu dem Termin kam ich fast wie die Jungfrau zum Kind, umso mehr freue ich mich immer noch, dass alles durchweg so reibungslos und unkompliziert abgelaufen ist…..
Vor allem, weil die Autorin noch viel sympathischer ist, als ich ohnehin geglaubt habe ;-)
An dieser Stelle auch ein <3 -liches Dankeschön an die Verlagsmitarbeiter für die formidable Betreuung am Nachmittag des Messefreitags!
Aber langer Rede, kurzer Sinn: Es geht los!
Liebe Gabriella,
ich habe mal in einem Bericht über dich gelesen:
„Hat schon als Kind vom Häuschen am Deich mit knorrigen Apfelbäumen im Garten geträumt.“
Das ist etwas, das ich mir für mich durchaus auch vorstellen könnte. Wir fahren gerne an die Ostsee – aber nur in den Urlaub. Du bist aber schon ein ganzes Stück näher herangezogen, du wohnst ja in Hamburg.
Ja, ich habe mich schon ein Stückchen vorgerobbt. Es ist ja eigentlich witzig, dass man von sowas träumt, wenn man aus München kommt, wo die Berge sehr viel näher liegen als der Strand. Aber ich habe relativ früh den „Schimmelreiter“ von Theodor Storm gelesen, ich glaube mit 11 Jahren oder so. Diese Novelle hat mich ein stückweit fasziniert mit dieser fremden, rauen Welt und den Deichen. Ich fand aber auch immer schon knorrige Apfelbäume ganz toll, am besten mit einer Schaukel daran So ist mein Wunsch aus all diesen Elementen im Lauf der Zeit zusammengewachsen …
Bist du denn aus eigener Motivation in den Norden gezogen?
Nein, meine Eltern haben sich getrennt und meine Mutter ist dann mit ihrem neuen Lebenspartner nach Hamburg gekommen. Ich musste natürlich mit. Das fand ich zu Beginn überhaupt nicht lustig. Als Teenager aus der gewohnten Umgebung gerissen zu werden, ist, glaube ich, das Schlimmste, was man in diesem Alter mitmachen kann. Ich habe es meiner Mutter inzwischen längst verziehen und bin wahnsinnig froh, in Hamburg gelandet zu sein. Eigentlich war das ein Riesengeschenk, das ich damals nur noch nicht als solches empfunden habe. Die ersten Monate, waren ziemlich hart für mich, aber dann hat sich alles super entwickelt und ich hatte das Gefühl, irgendeine magische Kraft habe mich in den Norden gezogen. Ich glaube, ich habe in meinem früheren Leben mal in Nordfriesland gewohnt 😉
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Die tiefe Liebe zum Norden und auch zu den Menschen, die dort leben, spricht regelrecht aus deinen Roman heraus. Das ist sehr schön, du schreibst so warmherzig, so intensiv und es klingt alles sehr natürlich, auch wenn die Geschichten natürlich erfunden sind.
Das höre ich gerne. Das, was sich so authentisch liest, ist auch so. Klar sind die Figuren erfunden, aber dieses Gefühl, das durchlebe ich ja immer, und ich beschreibe gerne, wie ich die Stimmungen selbst empfinde. Ich mag die Friesen. Sie sind zwar oft nicht sehr kommunikativ – da hat man es beispielsweise mit Menschen aus NRW vordergründig leichter, was zum Beispiel bei Lesungen sehr angenehm ist, weil man dort ein begeistertes Publikum hat – aber ich mag diese Nachhaltigkeit. Es kann 10 Jahre dauern, bis man das Herz eines Friesen gewinnt, oder auch nur sein Vertrauen, dann ist es aber auch wirklich für immer. Für mich ist es sehr wichtig dass es im Leben nicht „hyper-hyper“ verläuft, sondern nachhaltig.
Du bist in Hamburg zunächst Buchhändlerin geworden, später Lektorin, dann Literatur-Scout, Verlagsleiterin… Hast dann auch versucht, Größen fernab der Buchwelt zum Schreiben zu bewegen. Aber wann und warum fingst du an, selbst zu schreiben?
Ja, ich habe fast alles an Berufen rund ums Buch gemacht, die es so gibt. Um auf die Frage zurück zu kommen, warum ich selbst geschrieben habe: Der Ursprung des eigenen Schreibens liegt tatsächlich in der Zeit meiner Verlagsleitung. Ich wollte eine Anthologie („Pfeif der Angst ein Liedchen“) herausbringen, die sich gegen rechte Gewalt engagiert. Der Erlös kam der Initiative „Gesicht zeigen“ zugute. Es gab diverse Promis, die gerne dabei sein wollten, aber ohne eine Kindergeschichte schreiben müssen. Wir wollten auf diese Namen nicht verzichten, mussten uns also überlegen, wer für sie die Geschichten schreiben könnte. Wir haben das auf ein paar Autoren verteilt und es blieben ein, zwei Geschichten übrig. Da habe ich aus Gag gesagt, ich könne es ja mal probieren, obwohl ich vorher noch nie mit dem Gedanken gespielt hatte, zu schreiben. Das war wirklich totaler Zufall! Und ich habe dann, glaube ich, für zwei der Promis die Ghostwriter-Geschichten geschrieben. Das muss später so in mir gearbeitet haben, dass ich geträumt habe, ich hätte einen Roman geschrieben. Das habe ich meinem damaligen Mann erzählt. Er hat mir kurzentschlossen einen Laptop geschenkt und dann konnte es ganz spontan losgehen. Hätte ich das jemals ernsthaft geplant, wäre ich wahrscheinlich niemals Autorin geworden.
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Es war also nicht so ein Kindheitstraum wie bei vielen anderen Autoren?
Nein, gar nicht. Ich habe nie vorher geschrieben, auch nicht Tagebuch. Ich war zwar immer ganz gut in Aufsätzen, aber zu schreiben war überhaupt nicht mein erklärtes Ziel. Ich habe lieber die Bücher der anderen gelesen.
Du bist unglaublich vielseitig, schreibst Kinder- und Jugendbücher, schreibst Romane und Kurzgeschichten im Wohlfühlbereich. Könntest du dir vorstellen, dich auch mal in einem ganz anderen Genre (Thriller, historisch…) zu versuchen?
Nein, weder noch. Im historischen Bereich habe ich wahnsinnigen Respekt allein vor den Recherchen. Es sind auch meist sehr, sehr dicke Bücher, was überhaupt nicht meine Welt ist. Ich lese solche Wälzer nicht so gern, weil mir dann die Zeit für andere Bücher fehlt. Ich recherchiere sehr gerne auf den Inseln und spreche mit Menschen, aber in irgendwelchen Archiven rumzuwühlen, das ist nicht meine Welt. Ich hatte mal überlegt, ob ich Bibliothekswissenschaften studieren soll, habe mich dann aber für den lebendigen Buchhandel entschieden.
Für Krimis und Thriller fehlt mir das nötige strategische Denken. Ich kann auch nicht Schach spielen, aber strategisch muss man in diesem Genre auf jeden Fall planen. Ich habe zwar ein bisschen in diese Richtung in meine Jugendbücher einfließen lassen („Sturmgeflüster“ und „Küss den Wolf“), aber das ist mir immer sehr schwer gefallen und ich habe richtig lange daran gesessen – auch wenn es letzlich dann doch großen Spaß gemacht hat.
Dass wir in einem deiner Bücher eine Leiche auf Sylt finden, wird vermutlich nicht passieren?
Nein, und wenn doch, dann in einem anderen Zusammenhang, aber nicht als Spannungsroman. In dem Bereich schreiben ja auch schon ganz viele und die machen das gut und mit viel Leidenschaft. Ich denke zudem, dass es schon so viele Grausamkeiten auf der Welt gibt. Dazu muss ich nicht auch noch beitragen. Ich möchte eher den anderen Weg gehen – den Menschen etwas Schönes schenken, ohne kitschig zu werden oder zu sehr konstruiert. Ich mag dieses Geborgenheitsgefühl. Ich möchte lieber dieses „Heile Welt“-Gefühl transportieren als noch mehr zerstückelte Leichen zu erschaffen.
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An wie vielen und an welchen Projekten arbeitest du denn gerade?
Ausnahmsweise bin ich tatsächlich neben der Promotion zu „Strandfliederblüten“ nur mit meinem aktuellen Sylt-Roman beschäftigt. Das ist der vierte Teil, der wahrscheinlich nächstes Jahr im April erscheinen wird. Demnächst treffe ich mich mit Verlagsmitarbeitern, um neue Themen und Settings zu besprechen. Ich habe schon wieder viele Sachen im Kopf, aber wir müssen mal schauen, in welche Richtung wir gehen. Ich möchte auch gerne mal wieder ein Kinderbuch machen. Das würde mir sehr am Herzen liegen.
Wie schaffst du es, alle deine einzelnen Projekte und Pläne im Kopf zu sortieren, so dass du da nicht durcheinanderkommst?
Das ist manchmal nicht ganz einfach, oft fühle ich mich wie ein wandelndes Post-it. Das geht los im privaten Bereich, in dem ich viele Erinnerungs-Notizen brauche. Ich muss wahnsinnig aufpassen, mich zu fokussieren und das gelingt nicht immer gleich gut. Ich bin jetzt auch an einem Punkt angekommen, an dem ich oft „Nein“ sagen muss. Das kenne ich eigentlich gar nicht und bin auch gar nicht gut darin. Aber ich habe festgestellt, dass es sein muss, weil ich sonst Raubbau an mir betreibe. Ich muss einfach die Reißleine ziehen. Zum Glück bin ich sehr strukturiert und organisiert. Das habe ich jahrelang im Job gemacht. Ich bin auch jemand, der nicht gut Sachen liegen lassen kann, dann kann ich mich nicht entspannen. Das geht erst, wenn ich alles erledigt habe, da bin ich ein ganz klassisches Arbeitstier.
Du bist unheimlich umtriebig und auch sehr kreativ, sowohl bei deinen Geschichten und allem, was dazu gehört, aber auch auf den Social Media. Dass das ganz schön Kraft kostet, haben wir gerade gehört. Wie füllst du deinen Akku auf?
Dann gehe ich in die Badewanne, oder esse eine Portion Spaghetti, oder ich genieße ein Glas Rotwein. Ab und zu muss es aber auch eine längere Auszeit sein. Die habe ich mir gerade gegönnt, als ich eine Woche in Sankt-Peter-Ording war. Mal nicht auf einer Insel, wo mich jeder erkennt, oder ich in Buchhandlung gehe, sondern an einem Ort, wo mich niemand kennt. Das war sehr erholsam. Von daher bin ich sehr entspannt, doch jetzt beginnt die Promotion-Tour zu „Strandfliederblüten“, aber ich versuche, mir noch ein bisschen dieses Erholungsgefühl zu bewahren.
Liebe Gabriella, ich danke dir sehr für diese gemütliche, interessante und sehr nette Stunde auf der LBM17. Viel Erfolg für deinen aktuellen und auch alle weiteren Romane, die du noch schreiben wirst – und auf die ich mich schon sehr freue und sie bei einem guten Tee oder Kaffee genießen werde <3
Das Copyright für alle Fotos liegt bei Gabriella Engelmann.
Liebe Heike,
ein sehr schönes Interview, das ich mit großem Interesse gelesen habe! :)
Von Gabriella Engelmann habe ich zwar bisher nur zwei Bücher gelesen („Eine Villa zum verlieben“ und „Inselzauber“), doch das waren bestimmt nicht die letzten. Der Schreibstil ist wirklich toll.
Liebe Grüße und einen schönen Muttertag!
Nicole
Liebe Nicole,
das Treffen auf der Messe war wirklich ganz großartig und ich freue mich, dass es mir gelungen ist, dieses schöne Feeling in den Artikel zu übertragen :-)
Ehrlich gesagt, kenne ich auch noch gar nicht so viele Bücher von der Autorin, aber das wird im Sommer geändert!
Liebe Grüße, Heike
Schönes Interview von Gabriella Engelmann. Ich habe inzwischen 6 Bücher im Regal stehen. Das sind Geschichten die immer wieder gelesen werden.
Liebe Susanne,
danke :-)
Ich finde die Romane der Autorin auch als ssehr wohltuend!
Viele Grüße, Heike
Was für ein schönes Interview. Vielen Dank!
LG Julia (die Gabriella bald auf Föhr treffen wird :) )
Liebe Julia,
vielen Dank!! Und ganz leicht neidische Grüße zurück ;-) Ich wünsche dir eine schöne Zeit auf Föhr!
Alles Liebe, Heike
Danke :)
Hallo liebe Heike,
endlich habe ich Zeit gefunden, dein tolles Interview zu lesen! Die Autorin kenne ich vom Namen her schon sehr lange, auch ihre Bücher sind mir ein Begriff, doch tatsächlich habe ich noch wirklich keines gelesen oder gehört! Durch das heutige super schöne, sonnige und heitere Wetter habe ich mir spontan das Hörbuch „Strandfliederblüten“ gekauft und geladen. Ich freue mich sehr, es nacher auf der Terrasse oder im Garten bei einer Tasse Kaffee zu genießen. :-)
Es war ganz toll zu erfahren, wie Gabriella zum Schreiben kam! Also könnte es mich vielleicht doch auch noch treffen, dass ich irgendwann mal eine Geschichte niederschreibe. ;-) Oftmals ist spontan am besten.
Früher hätte ich mir nie vorstellen können nach Hamburg zu ziehen. Heute würde ich glatt ganz schnell meine Koffer packen und in den Norden ziehen. Kann die Autorin sehr gut verstehen, dass sie sich dort sehr wohl fühlt.
Ich wünsche dir einen ganz sonnigen (Lese)Tag,
GlG vom monerl